Heidenheimer Neue Presse

Jedes Bild unheimlich und schön

Die Kunsthalle München zeigt eine große Retrospekt­ive des niederländ­ischen Künstlers Erwin Olaf.

- Karl Honorat Prestele

München. Bevor man die Ausstellun­g in der Münchner Kunsthalle betritt, lohnt am Eingang ein Blick kurz rechts um die Ecke. Dort hängen die offizielle­n Porträts der niederländ­ischen Königsfami­lie: Willem Alexander, Maxima und ihre drei Töchter. Diese perfekten Fotos beweisen die enorme Wertschätz­ung, die der 1959 geborene Erwin Olaf als Fotograf in seiner Heimat genießt. Sie sind die einzigen Auftragsar­beiten, die in der großen Überblicks­schau „Unheimlich schön“(bis 26. September) zu sehen sind. Ansonsten werden dort ausschließ­lich seine freien künstleris­chen Arbeiten aus den vergangene­n 40 Jahren präsentier­t

Olaf arbeitet immer in Serien. Für ihn gilt: „Ein Bild ist nie genug.“Die Serie „Aprilnarr 2020“ist im Frühjahr 2020 entstanden. Auf den Bildern ist der Künstler selbst als Narr mit weiß geschminkt­em Gesicht und Spitzhut in menschenle­erem Ambiente zu sehen: im Supermarkt, auf dem Parkdeck, vor einer kahlen Wand, auf einer Parkbank. Die Bilder entfalten eine suggestive Kraft und zeigen eine neue, unwirklich erscheinen­de Realität, die die Pandemie geschaffen hat: eine Welt im Stillstand mit Vereinzelu­ng, Zurückgezo­genheit, Ohnmacht und Isolation.

Auch konkrete politische Ereignisse greift er wiederholt auf. In den Werkreihen „Troubled, Awakening“und „Tamed & Anger“verarbeite­t er etwa die Pariser Anschläge von 2015 auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“und das Kulturzent­rum Bataclan. Und Olaf setzt auf Irritation­en, bedient sich vieldeutig­er Symbolik und lässt seine Erzählunge­n bedeutungs­offen. Das Publikum selbst soll die Anspielung­en entschlüss­eln.

Und von der Malerei hat er sich inspiriere­n lassen: in „Ladies Hats“von Rembrandt – nur dass hier junge Männer Frauenhüte tragen und damit auf den Einfluss verweisen, den Kleidung auf das psychische Befinden und damit auf den Ausdruck einer Person hat. In „Royal Blood“inszeniert Olaf Modelle wie Sisi oder Prinzessin Diana in der Bildsprach­e klassische­r Märtyrer-darstellun­gen, verwundet und blutbeflec­kt.

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„Royal Blood“von Erwin Olaf.

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