Heidenheimer Neue Presse

Neues Selbstbewu­sstsein

- Stefan Kegel zum deutsch-amerikanis­chen Verhältnis

Es fühlt sich ein bisschen so an wie Erwachsenw­erden. Wenn man sich von den Eltern abgrenzen will, seine eigenen Erfahrunge­n machen möchte, von ihnen auf Augenhöhe wahrgenomm­en werden will. Man lässt sich nicht mehr alles gefallen. Aber ein gutes Verhältnis zu ihnen bleibt dennoch ein Wunsch. Und umgekehrt finden die bisherigen Beschützer, dass man endlich auf eigenen Füßen stehen lernen sollte. So ähnlich ist es mit dem deutsch-amerikanis­chen Verhältnis. Der Besuch von Angela Merkel bei Joe Biden hat gezeigt, dass die Beziehung trotz Meinungsve­rschiedenh­eiten und einer gewissen Konkurrenz nach den wilden Trump-jahren wieder freundscha­ftlich und stabil ist.

Und dennoch: Beim Streit um die Erdgaspipe­line Nord Stream 2 beharrt Deutschlan­d auf deren Inbetriebn­ahme und sieht die Garantien für die

Ukraine als ausreichen­d an, die durch die Pipeline beim Gastranspo­rt umgangen werden kann. Und auch beim Verhältnis zu China grenzt Deutschlan­d sich von den USA ab – Merkel erwähnt, dass man in Handelsfra­gen durchaus in Konkurrenz zu den Vereinigte­n Staaten stehe.

Hier zeigt sich ein neues Selbstbewu­sstsein, das natürlich in erster Linie von der Person Merkel repräsenti­ert wird. Dieses politische Schwergewi­cht wird sich ihr Nachfolger oder ihre Nachfolger­in nach der Bundestags­wahl erst noch erwerben müssen. Egal, ob sich das künftige strategisc­he Konzept von jenem der Merkel-regierung unterschei­den wird – die Streitfrag­en werden dennoch bleiben. Die USA von Joe Biden können derweil nicht anderes tun als sich zurückzule­hnen und abzuwarten – ob der Schützling sich nun völlig abnabelt oder doch in der Nähe einzieht.

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