„Wahlkampf kommt von Kämpfen“
Bundestagswahl Ist der Kampf ums Kanzleramt für die Grünen schon verloren? Die baden-württembergische Spitzenkandidatin Franziska Brantner hat klare Vorstellungen, wie die Trendumkehr gelingen kann.
Wenn Franziska Brantner (Grüne) so richtig schlecht schläft, ist in ihren Albträumen die Bundestagswahl schon vorbei, und an der Macht ist die Große Koalition, zusammen mit der FDP. „Das wäre Stillstand“, sagt Brantner zu diesem Schreckensszenario. „Dann ändert sich in diesem Land gar nichts.“
Dafür, dass es anders kommt , gilt derzeit der volle Einsatz der baden-württembergischen Spitzenkandidatin. Wie gut die Chancen stehen, ist schwer zu sagen in einem Wahljahr, in dem Umfragen ebenso wild schwanken wie Stimmungen rund um Personen und Themen. Schien vor Wochen das Kanzleramt für die Grünen zum Greifen nah, kam nach Negativ-schlagzeilen um Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock der demoskopische Einbruch.
Lässt sich dieser Trend nochmal drehen? Ja, glaubt Brantner. Um die wirklich wichtigen Themen sei es in diesem Wahlkampf ja noch gar nicht gegangen, sagt sie beim Besuch der Zentralredaktion der SÜDWEST PRESSE in Ulm: „Wir müssen es schaffen, zu den Sachthemen zu kommen: Wie stoppen wir den Klimawandel, wie stärken wir sozialen Zusammenhalt? Wie machen wir die Wirtschaft fit für die Zukunft? Darum geht es im Herbst, darüber sollten wir diskutieren!“
Es sind Themen, die nicht nur wegen immer stärkerer Wetter-extreme in den Fokus rücken. Auch das neue Klimapaket der Eu-kommission sei ein enorm wichtiger Schritt: „Das Gute ist, dass es jetzt endlich ums Machen geht”, sagt Brantner, die sich als ehemalige Europaabgeordnete sehr gut auskennt auf dem europäischen Parkett. Statt abstrakter Zielvorgaben lägen nun konkrete Schritte auf dem Tisch. „Jetzt müssen alle Farbe bekennen und erklären, welche davon sie mitgehen.” Allein, dass die Kommission nach langem Ringen das Ende der Steuerbefreiung für Flugbenzin (Kerosin) ins Paket geschnürt habe, habe sie und viele Grüne jubeln lassen: „Endlich – wir Grünen fordern das seit Jahrzehnten, und nun beginnt endlich der Einstieg in diesen Wandel.“
Das laute Trommeln des Daimler-chefs Ola Källenius für E-mobilität und erneuerbare Energien vor wenigen Tagen beim „Forum“ dieser Zeitung hat die Spitzenkandidatin ebenfalls registriert. „Viele Unternehmen, Wissenschaftler und die Zivilgesellschaft sind längst viel weiter als die aktuelle Politik“, ist sie überzeugt.
Dennoch müssten die Grünen mit ihrem Etikett der „Verbotspartei“genau darauf achten, wie sie kommunizieren: „Wenn wir rüberkommen, als machten wir Dinge aus Prinzip und Rechthaberei, kann es nach hinten losgehen.“Stattdessen müsse klar sein, dass es nicht darum gehe, die Menschen zu ändern. „Wir können unseren Wohlstand und unsere Freiheit nur erhalten, wenn wir heute einiges ändern und vieles besser machen. Sonst überholt uns die internationale Konkurrenz, und die Klimakrise nimmt uns alles.“Ordnungspolitik oder eben Verbote seien sinnvoll, wenn es darum gehe, neuen klimafreundlichen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen. So wie das weltweit verbotene FCKW im Haarspray keiner vermisse, sei es auch, wenn statt Einweg-plastik ökologische Verpackungen auf den Markt kommen – oder das Auto eben künftig elektrisch fährt. Der bessere Mensch sei nicht das Ziel – bessere Politik dürfe es aber schon geben.
Dass im Wahlkampf immer stärker personalisiert wird, haben die Grünen schmerzvoll erfahren müssen mit den Debatten um den Lebenslauf von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock oder abgekupferte Passagen in ihrem Buch. Von einem besonders unfairen oder gar „schmutzigen“Wahlkampf möchte Franziska
Brantner aber nicht sprechen, zumal auch Fehler passiert seien. „Klar sind die Angriffe hart, aber Wahlkampf kommt von Kämpfen, und es ist unsere Aufgabe, die Unterschiede klar zu machen, wer echten Klimaschutz will und kann und wer nicht.” Außerdem zeige es, wie ernst man vom politischen Gegner genommen werde. Im Endspurt ist Brantner auch vor sich zuspitzender Personalisierung nicht bang: In Tv-debatten mit Cdu-kandidat Armin Laschet zeige sich klar, wer die bessere Figur macht.
Brantner hat sich eine Wahlkampf-tour mit Schwerpunkt im ländlichen Raum vorgenommen – ganz bewusst. „Wir gehen auch dorthin, wo wir als Grüne nicht sofort mit Applaus empfangen werden“. Für einen Wahl-erfolg „brauchen wir ein gutes Ergebnis aus Baden-württemberg“– auch, damit ihr Albtraum von Groko plus FDP nicht wahr wird.