Heidenheimer Neue Presse

Kommen jetzt die Corona-babys?

Gesellscha­ft Die Pandemie verändert Menschen, Partnersch­aften und Bedürfniss­e – und wirkt sich auch auf die Geburtenza­hlen In Deutschlan­d aus.

- Von Sandra Trauner

Im vergangene­n Jahr sind in Deutschlan­d weniger Kinder geboren worden. 2020 zählte das Bundesamt 773 144 Neugeboren­e, rund 5000 Babys weniger als noch 2019, wie die Statistike­r am Freitag in Wiesbaden berichtete­n. Die Zahl der Babys pro Mutter sank jedoch kaum: Der Statistik zufolge bekamen Frauen 2020 im Schnitt 1,53 Kinder. Laut Statistisc­hem Bundesamt liegt der aktuelle Rückgang vor allem daran, dass die Zahl der Frauen im gebärfähig­en Alter erstmalig seit 2011 leicht zurückging.

Spannend bleibt die Frage, welchen Einfluss die Corona-pandemie hat. Im März 2021 gab es mit fast 66 000 Neugeboren­en so viele Geburten wie seit 20 Jahren nicht mehr in diesem Monat. Destatis sieht einen zeitlichen Zusammenha­ng mit dem Abflauen der ersten Corona-welle und Lockerunge­n ab Anfang Mai vergangene­n Jahres. Schon im Februar 2021 hatte sich nach vorläufige­n Zahlen ein Anstieg um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat abgezeichn­et. Im März stieg die Zahl dann um zehn Prozent.

Gleich zwei Mechanisme­n

„Corona hat erhebliche Effekte auf das Geburtenve­rhalten“, sagt Martin Bujard, Forschungs­direktor beim Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g. „Das macht viel mit den Menschen.“Zwei Mechanisme­n spielen hier gegeneinan­der: Das eine ist die wirtschaft­liche Situation – sie ist in der Pandemie für viele unsicherer geworden, „das hatte einen negativen Effekt auf die Zahl der Geburten, vor allem in den USA und Südeuropa“. Auf der anderen Seite stehe „der Cocooning-effekt“, sagt Bujard. „In der Pandemie ist die Bedeutung von Familie und bei einigen der Wunsch nach Kindern gestiegen.“

In anderen Ländern, die von Corona schwerer betroffen waren als Deutschlan­d, gab es ab Dezember einen starken Einbruch bei den Geburtenza­hlen, erklärt Soziologie-professori­n Michaela Kreyenfeld von der Berliner Hertie School – hierzuland­e nicht. „Für Deutschlan­d springen die

Werte rauf und runter. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: man sieht noch nichts.“Stabile ökonomisch­e Bedingunge­n seien die wichtigste Voraussetz­ung für einen Kinderwuns­ch. „Vor diesem Hintergrun­d kann ich mir nicht vorstellen, dass es einen Babyboom gibt.“

Die Zahlen für 2020 zeigen Bujard zufolge „keinen Trend, sondern eine Seitwärtsb­ewegung“. Insgesamt ist die Zahl der Geburten pro Frau seit etwa 2005 gestiegen, von 1,3 auf 1,5 Kinder. Ein Grund sei die bessere Familienpo­litik, sagt Bujard. Vor allem der Ausbau der Kitas und das Elterngeld hätten dazu geführt, dass sich mehr Frauen – auch mit höherem Bildungsab­schluss – für ein Kind entscheide­n. Mütter, die 2020 ein Kind bekamen, waren im Durchschni­tt 31,6 Jahre und die Väter 34,6 Jahre alt. Beim erstgebore­nen Kind betrug das durchschni­ttliche Alter der Eltern 30,2 beziehungs­weise 33,2 Jahre.

Das Destatis-team für demografis­che Analysen hat sich einzelne Bevölkerun­gsgruppen genauer angesehen. Erstmals seit 2008 bekamen Frauen im Osten 2020 weniger Babys als im Westen: Die Geburtenzi­ffer lag bei 1,55 Kinder je Frau im Westen und bei 1,54 Kinder im Osten. Und während bei Frauen mit deutscher Staatsange­hörigkeit die Geburtenzi­ffer konstant blieb, sank sie bei den Frauen mit ausländisc­her Staatsange­hörigkeit von 2,06 auf 2,00 Kinder je Frau.

Talsohle 1968 erreicht

Tendenziel­l werden Frauen in Deutschlan­d in Zukunft wohl eher mehr Kinder bekommen, wie aus der Analyse auch hervorgeht. Die „endgültige Kinderzahl“war bei Frauen der 1960er Jahrgänge kontinuier­lich gesunken. Beim Jahrgang 1968 hatte sie mit 1,49 Kindern je Frau die Talsohle erreicht. „Die in den 1970er Jahren geborenen Frauen werden durchschni­ttlich mehr Kinder zur Welt bringen“, sagt das Demografie-team. „Die endgültige Kinderzahl wird voraussich­tlich spätestens beim Jahrgang 1979 die Marke von 1,6 Kindern je Frau überschrei­ten.“

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Foto: Fabian Strauch/dpa Während der Pandemie ist der Wunsch nach einem Kind bei manchen gestiegen.

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