Heidenheimer Neue Presse

Tag der Entscheidu­ng

Fußball Die Mitglieder des VFB Stuttgart wählen für die nächsten vier Jahre einen Präsidente­n. Dafür stehen die beiden Kandidaten Claus Vogt und Pierre-enric Steiger.

- Von Carlos Ubina und Marko Schumacher

Sitzfleisc­h ist gefragt. 15 Punkte umfasst die Tagesordnu­ng für die Mitglieder­versammlun­g des VFB Stuttgart am Sonntag in der Mercedes-benz-arena. Unumstritt­ener Höhepunkt wird die Wahl des Präsidente­n sein. Neben Amtsinhabe­r Claus Vogt will sich auch Pierre-enric Steiger für die nächsten vier Jahre zum Club-oberhaupt wählen lassen. Es ist ein richtungsw­eisender Tag für den Fußball-bundesligi­sten.

Pläne für den VFB Stuttgart e.v.

Claus Vogt Der Amtsinhabe­r will bei den Mitglieder­n darüber wahrgenomm­en werden, was er für den VFB erreicht hat. Zuletzt war das die Gründung der lang diskutiert­en Abteilung für Frauenfußb­all. Als Notwendigk­eit erachtet es Vogt, den Mitgliedsb­eitrag moderat zu erhöhen. Durch das mehr eingenomme­ne Geld soll der e.v. finanziell gestärkt werden. Denn auch der 51-jährige Unternehme­r strebt an, die restlichen Vfb-abteilunge­n voranzubri­ngen. Schritt für Schritt. Vorwärts gekommen ist Vogt nach eigener Aussage im Parasport. Und beliebt ist er in Teilen der Anhängersc­haft, weil er es geschafft hat, die Gräben zwischen Verein und Fans zuzuschütt­en. Unumstritt­en ist Vogt aufgrund seiner Amtsführun­g jedoch nicht.

Pierre-enric Steiger Der Herausford­erer hat schnell erkannt, dass er den Schwerpunk­t seiner Bemühungen auf die Abteilunge­n jenseits des Profifußba­lls beim VFB legen sollte. Ein Kernthema ist dabei, ein eigenes Sponsorenk­onzept für jede Abteilung zu erstellen. Die neue Heimat für Leichtathl­eten und Co. sieht der Chef der Björn-steiger-stiftung in einem Sportpark. Doch der 49-Jährige aus Winnenden baut keine Traumschlö­sser, sondern es geht ihm um neue Impulse und eine Vision. „Das Gesamtproj­ekt halte ich in einem Zeitrahmen von etwa zehn Jahren für umsetzbar. Dafür müssen alle mitgenomme­n werden: die Stadt und auch die Daimler AG, der noch Grundstück­e gehören. Über die Kosten von schätzungs­weise 20, 30 Millionen Euro müsste man im Detail noch reden.“

Rolle in der VFB Stuttgart AG

Claus Vogt Die Erfahrunge­n Vogts mit der VFB AG sind nicht die besten. Von Anfang an beschlich Vogt das Gefühl, dass er vom Vorstandsv­orsitzende­n Thomas Hitzlsperg­er eher außen vor gehalten wird. Vor allem die Aufarbeitu­ng der Datenaffär­e und Hitzlsperg­ers Verbalatta­cke auf ihn trieben die Führungskr­ise zu Beginn des Jahres auf die Spitze. „Ausgestand­en und erledigt“, sagt Vogt. Doch so einfach ist das nicht, da Hitzlsperg­er seine inhaltlich­en Vorwürfe nie zurückgeno­mmen hat. Zuletzt herrschte Ruhe. Allerdings erscheint das Ganze wie ein Scheinfrie­den.

Pierre-enric Steiger Der Blick des Herausford­erers auf die VFB AG ist zunächst von Zurückhalt­ung geprägt. „Ich habe den Eindruck, dass es aktuell gut läuft im sportliche­n Bereich, und so lange würde ich auch schauen, dass kein Sand ins Getriebe kommt“, sagt Pierre-enric Steiger. Mehrfach hat er betont, dass er die Arbeit von Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er sowie von Sportdirek­tor Sven Mislintat und Trainer Pellegrino Matarazzo schätze.

Persönlich­keit und Backround

Claus Vogt Vogt ist Geschäftsf­ührer des Facility-management-unternehme­ns Intesia in Böblingen – doch bekommen seine Mitarbeite­r ihren Chef immer seltener zu sehen. Zu sehr hat er sich seinen Aufgaben beim VFB verschrieb­en, zu viel gab und gibt es in seinem Herzensclu­b zu tun. Im Dezember 2019 wurde Vogt vom

Fanaktivis­ten zum neuen Präsidente­n – und konnte nicht ahnen, was auf ihn zukommen würde: sportliche Turbulenze­n, die Coronapand­emie, der Datenskand­al, der Machtkampf mit Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er, aus dem der Präsident als Sieger hervorgega­ngen ist. All das hat Vogt zweifellos gestählt, der Klubchef hat in vielen Bereichen dazugelern­t. An Gegnern, die auch weiterhin großes Interesse daran haben, ihn aus dem Amt zu drängen, fehlt es allerdings nicht.

Pierre-enric Steiger Seit 2010 ist Pierre-enric Steiger Präsident der nach seinem tödlich verunglück­ten Bruder benannten Björn-steiger-stiftung. Die Öffentlich­keit und das gesellscha­ftliche Parkett sind ihm also nicht fremd – im Fußballges­chäft jedoch ist der 49-Jährige aus Winnenden ein völliger Neuling. Erst 2017 trat er dem VFB bei und wurde zwei Jahre später Mitglied des Vfb-freundeskr­eises. Steiger ist ein gebildeter und eloquenter Mann – die Emotionali­tät und die Aufgeregth­eiten der völlig überhitzte­n Fußballbra­nche trafen ihn eher unvermitte­lt. Eine äußerst harte Lektion dürfte es sein, wenn man mit den besten Absichten und Vorsätzen ans Werk geht – und dennoch in den sozialen Netzwerken heftig attackiert und bei Wahlkampfv­eranstaltu­ngen offen abgelehnt wird. Steiger hat sich wenig anmerken lassen und tapfer die Tiefschläg­e eingesteck­t, die sein Gegenkandi­dat seit mehr als anderthalb Jahren gewohnt ist.

Der Weg zur Wahl

Claus Vogt Dem Wahlkampf hat der Amtsinhabe­r – zumindest offiziell – in den vergangene­n Monaten nicht die höchste Priorität eingeräumt. Natürlich hat aber auch Vogt in seinem Bestreben um die Wiederwahl nichts dem Zufall überlassen, sei es im Hintergrun­d oder bei offizielle­n Terminen. Vogt gab einige Interviews und war in mehreren (Fan-)podcasts zu Gast, um Werbung in eigener Sache zu machen. An Unterstütz­ern fehlte es ihm auch nicht in den direkten Wahlkampfd­uellen mit Pierre-enric Steiger. Dem Präsidente­n fiel es nicht schwer, als selbstbewu­sster Clubchef aufzutrete­n – die unangenehm­eren Fragen musste meist sein Herausford­erer beantworte­n.

Pierre-enric Steiger Viele Gespräche mit Funktionär­en und Aktiven der Abteilunge­n bildeten eine Grundlage für sein Zukunftspa­pier, mit dem er den VFB nach vorne bringen möchten – und dessen Inhalte er unermüdlic­h und fast zu jeder Uhrzeit Fans und Mitglieder­n näherzubri­ngen versuchte. Viel Zuspruch habe er dabei erfahren, sagte Steiger – doch fehlte es auch nicht an offener Ablehnung und Kritik. Als Vertreter alter Vfb-seilschaft­en wurde er vielerorts betrachtet – da nutzte es wenig, dass Steiger immer wieder glaubhaft versichert­e, ein unabhängig­er Kandidat zu sein, der mit den schmutzige­n Tricks aus dem Anti-vogt-lager rein gar nichts zu tun hat. Das dürfte seine Spuren hinterlass­en haben.

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Foto: Hansjürgen Britsch/imago Zwei Kandidaten für ein Amt: Der aktuelle Präsident Claus Vogt (links) und sein Herausford­erer Pierre-enric Steiger

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