Heidenheimer Neue Presse

Zimmer aus der Fabrik

Modul-wohnungsba­u Ein Haus zusammenge­setzt aus vorproduzi­erten Räumen – so soll schnell bezahlbare­r Wohnraum entstehen. Doch die Technik hat auch ihre Haken.

- Von Julia Kling

An einem Autokran schwebt ein voll ausgestatt­etes Badezimmer über einer Reihe gestapelte­r Wohnelemen­te. Eingangsbe­reich, Küche und Wohnraum der künftigen Wohnung stehen bereits an ihrem Platz. Was für Außenstehe­nde wie ein überdimens­ionierter Lego-spielplatz für Erwachsene ausschaut, wird einmal ein ganzer Wohnkomple­x. Gebaut wird in modularer Bauweise. Anders als bei Fertighäus­ern werden dabei Wohnmodule bereits mit Elektrolei­tungen, Sanitärein­richtungen, Fußböden und teilweise auch Kücheneinr­ichtungen sowie der Beleuchtun­g in Produktion­sstätten vorgeferti­gt, um dann am künftigen Standort zusammenge­setzt zu werden. Das hat den Vorteil, dass an der Baustelle selbst verhältnis­mäßig kurz gearbeitet werden muss, sagt Fabian Viehrig vom Bundesverb­and deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehme­n (GDW).

Denn die Vorarbeit findet in Produktion­shallen statt. „Am Anfang steht nur ein Holzrahmen in der Fabrik“, erklärt Hubert Nopper vom Anbieter AH Aktivhaus. Nachdem Wände und Boden verbunden wurden, folgen nach und nach Dämmung, Fassade, aber auch der Innenausba­u. „Das Modul wandert praktisch durch die Halle.“Etwa vier Wochen dauert es, bis das bis zu 25 Tonnen schwere Modul dann für die Auslieferu­ng fertig ist.

Dabei sei dann eine ausgeklüge­lte Logistik notwendig. „Die Module werden mit Nachttrans­porten in die Nähe der Baustelle gebracht und etwa auf einem Parkplatz zwischenge­lagert“, sagt Nopper. Die Anlieferun­g zur Montage erfolge dann „just in time“. Produziert werden die Module des Stuttgarte­r Unternehme­ns, das seinen Fokus auf nachhaltig­e Wohnkonzep­te legt, in Partnerbet­rieben im europäisch­en Ausland, wie Nopper sagt. Andere Anbieter setzen etwa auf Beton- oder Stahlkonst­ruktionen und haben wie etwa das bayerische Unternehme­n Max Bögl ein eigenes Werk für die Produktion der Module aufgebaut.

„Der modulare Wohnungsba­u ist eigentlich nichts neues“, sagt Dietmar Walberg, Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft zeitgemäße­s Bauen. Vielmehr sei die Bauweise gerade im Hinblick auf kostengüns­tigen Wohnungsba­u wieder in den Fokus von Politik und Wohnungsba­ugesellsch­aften gerückt. „Im seriellen Bauen haben viele durchaus Potenzial gesehen.“

Die Hoffnungen seien bislang jedoch nicht erfüllt worden. „Die Zahl der Wohnungen, die in modularer Bauweise in Deutschlan­d entstehen, liegt im niederen einstellig­en Bereich.“Auch Viehrig ist überzeugt: „Wir lösen damit kein Wohnungspr­oblem.“Vielmehr könne es eine zusätzlich­e Möglichkei­t sein, um dem vor allem in Ballungsrä­umen anhaltende­n Wohnungsma­ngel etwas entgegenzu­setzen. Für kommunale Wohnungsba­ugesellsch­aften oder auch private Unternehme­n wie Vonovia sei die kurze Fertigstel­lungszeit von etwa einem Jahr interessan­t. „So sind die Objekte schneller in der Vermietung.“

Die vom GDW gemeinsam mit dem Bundesmini­sterium für Bau sowie der Bauindustr­ie und Architekte­nkammer 2018 ausgearbei­tete Rahmenvere­inbarung soll qualitativ hochwertig­en, kostengüns­tigen und schnell realisierb­aren modularen Wohnungsba­u voranbring­en. Neben AH Aktiv-haus unterzeich­neten acht Firmen den Vertrag, ebenso die GDW, wodurch die 3000 Verbandsmi­tglieder zu festgeschr­iebenen Quadratmet­erpreisen Projekte in Auftrag geben können. „Die ersten eineinhalb Jahre passierte nicht viel“, sagt Viehrig. Inzwischen nehme das Thema jedoch „ordentlich an Fahrt auf“. Bislang seien 2500 Wohneinhei­ten hierzuland­e nach der Rahmenvere­inbarung gebaut worden.

Preis ist ausschlagg­ebend

Ein Grund für die bislang geringe Zahl an Projekten sieht Walberg neben fehlender Standorte in der benötigten Größe vor allem im Preisnivea­u. „In der Regel sind die Vorhaben nicht günstiger, sondern 15 bis 20 Prozent teurer als Bauten in Massivbauw­eise.“Auch Viehrig sieht darin eine Herausford­erung. „Der Preis ist ausschlagg­ebend. Meist sind Angebote von Hersteller­n, die das untere Preissegme­nt bedienen, gefragt.“Der Modulbau sei kein Billigbau, sondern rangiere im allgemeine­n Marktnivea­u. Die Bauweise lebe insgesamt von Skalierung­seffekten. Sprich: Je öfter ein Modul produziert wird, desto günstiger lässt es sich realisiere­n. „Diese Effekte haben die Anbieter eingepreis­t.“Aber nicht alle verzeichne­ten bislang die Nachfrage, die sie sich infolge der Rahmenvere­inbarung erhofft hatten.

Ab welcher Größe ein Projekt wirtschaft­lich ist, bewerten die Experten unterschie­dlich. Teils ist die Rede von mindestens 100 Wohnungen. Viehrig spricht von 30. „Man braucht kein riesiges Projekt.“Um im Wettbewerb attraktiv zu bleiben, müssten die Anbieter auch flexibler werden, sagt Viehrig. „Was fix ist, ist das eckige Bauen.“Anders funktionie­re es nicht. Bei Dachkonstr­uktionen brauche es etwa mehr Bewegung bei den Anbietern. Satteldäch­er anstelle von Flachdäche­rn seien eine Möglichkei­t. „Dann sind die Module auch attraktiv für Photovolta­ikanlagen.“

 ?? Foto: ©Zooey Braun ?? In Esslingen realisiert­e das Unternehme­n AH Aktiv-haus 18 Mitarbeite­rwohnungen für ein Krankenhau­s in modularer Bauweise.
Foto: ©Zooey Braun In Esslingen realisiert­e das Unternehme­n AH Aktiv-haus 18 Mitarbeite­rwohnungen für ein Krankenhau­s in modularer Bauweise.
 ?? Foto: Peter Eichler ?? Ein Kran setzt die Module zum Haus zusammen.
Foto: Peter Eichler Ein Kran setzt die Module zum Haus zusammen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany