Heidenheimer Neue Presse

Frank Schmidt zieht ein Zwischenfa­zit

Eine Woche vor Start der neuen Saison spricht der Trainer des 1. FC Heidenheim im Interview über die Vorbereitu­ngszeit.

- Von Alexander Ogger

Nicht nur der seit Jahren bekannte Klimawande­l, sondern auch die seit fast zwei Jahren bestehende Corona-pandemie hätten es bewiesen: Um solche Herausford­erungen erfolgreic­h meistern zu können, sei ein ganz anderes Management erforderli­ch als das, was derzeit angewendet werde, so Hans-paul Riemann in seinem neuen Buch „Zukunft gestalten: Gegen den Strom!“Man habe es mit unterschie­dlichen Interessen zu tun, mit Gewinnern und Verlierern, mit Regierunge­n und Völkern und mit verschiede­nen Kulturen. Um den Beweis für seine Theorie anzutreten, wie man den Klimawande­l in den Griff bekommen könne, zieht Riemann das Verhalten der Regierung in Zeiten der Pandemie kritisch zurate. Man müsse nicht nur wissen, was zu tun sei, sondern vor allem auch wie. Riemanns Vorschläge fußen auf einer aus den USA stammenden Methode aus den 70er-jahren, die dann ab 1980 an die deutsche Entwicklun­gshilfe angepasst wurde.

Herr Riemann, Ihr Werk widmen sie „der Jugend, die sich Sorgen um ihre Zukunft macht“. Was hat Sie tatsächlic­h dazu bewogen, auf 100 Seiten Ihren Ansatz zur Verbesseru­ng der Gesellscha­ft anzubieten?

Hans-paul Riemann: Das eigentlich­e Thema, das mich schon immer interessie­rt hat, ist das systemisch­e Denken. Dies ist etwas, was meiner Meinung nach selten bis gar nicht gemacht wird. Der systemisch­e Denkansatz ist eine effektive Methode, um viele Akteure mit teils gegenläufi­gen Interessen unter einen Hut zu bringen. Dies ist die übliche Situation bei Projekten im politische­n Umfeld.

Und, bekommt man heute auch alle Politiker unter einen Hut, wenn es um den Klimaschut­z geht?

In einer großen deutschen Wochenzeit­ung wurden jüngst sechs Politiker aus den im Deutschen Bundestag vertretene­n Parteien zum Thema „Klimaschut­z – Wo soll’s denn hingehen?“interviewt. Im Grunde konnte man da sechs Teile „Gerede“lesen. Denn: Ziele wie 1,5 Grad Celsius lassen sich leicht definieren. Aber wie man die Ziele erreicht, wusste von den Befragten keiner.

An dieser Stelle lohnt es sich vielleicht, den verblichen­en Cdu-politiker Heiner Geissler zu zitieren, der einmal treffend feststellt­e: „In der Politik sind Emotionen Fakten.“Da das Thema Klima ja hochemotio­nal diskutiert wird, dürfte die Bewerkstel­ligung ja eigentlich kein Problem sein, oder?

Moment, die Frage ist ja, wo die Emotion denn hingeht. Derzeit ist die Gesellscha­ft ja so gepolt, dass alle ihren Wohlstand und den damit verbundene­n Konsum erhalten oder gar mehren wollen. Das widerspric­ht diametral den Belangen des Umweltschu­tzes. Aber es stimmt schon: In der Regel ist das Gefühl stärker als der Verstand. Also wird man nur etwas erreichen, wenn man die bestehende­n Emotionen angemessen berücksich­tigt.

Und diese Methode stammt aus den Vereinigte­n Staaten der 70er-jahre?

Die Amerikaner haben das „logical framework“entwickelt. Am Beginn eines Projekts steht zunächst eine Situations- und Problemana­lyse. Aus dieser leiten sich die geplanten Ziele und die dafür notwendige­n Maßnahmen ab. Die Logframe-matrix führt das linerare Wirkungsmo­dell und die geplanten Zwischenzi­ele in Form einer standardis­ierten 16-Felder-tabelle zusammen.

Um beim Umweltschu­tz zu bleiben: Wo müsste man die 1,5 Grad Celsius in die Tabelle eintragen?

Als Ziel. Dann kämen die konkreten Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen. Die Frage ist dann, wie sich die Wirkungen dieser Maßnahmen messen und verifizier­en ließen. Das „logical framework“erfasst in diesem Zusammenha­ng übrigens auch die Risiken. Da die Planungen meist durch ein interdiszi­plinäres Team erfolgen, sieht man dann auch relativ schnell, was funktionie­ren würde, und vor allem, was nicht.

Interdiszi­plinär meint in diesem Fall?

Physiker, Biologen, Wirtschaft­swissensch­aftler . . .

. . . und die Politiker?

Das sind die Entscheide­r. Die sollten nur noch entscheide­n, das machen wir, oder das machen wir nicht. Aber sie sollten sich mit Sicherheit nicht selbst hinsetzen, um an Detaillösu­ngen zu arbeiten, wie sie es bei der Coronabekä­mpfung gemacht haben.

Warum tun sie es Ihrer Meinung nach doch?

Ich nehme an, dass sie glauben, sich dadurch einen Blumentopf verdienen zu können. Zu Beginn der Pandemie hatten Politiker wie Herr Söder scharfe Maßnahmen gefordert, wofür sie gefeiert wurden. Als man sah, dass die Maßnahmen nicht nutzten, schlug die Stimmung um. Ich schlage in meinem Buch eine solche Lösung nach dem nun bekannten Modell mit der Bildung eines Fachteams vor. Dann wäre es sicher anders gelaufen.

Leiden jetzt alle an der Profilieru­ng vieler Einzelner?

Das ist sehr scharf formuliert. Ich habe mich in einem Kapitel intensiv mit dem Menschenbi­ld beschäftig­t, um zu verstehen, was den Menschen antreibt. Meiner Meinung nach ist das sein eigener Nutzen. Nun kann sich der eigene Nutzen auch als großer Schaden für ihn und für die Allgemeinh­eit herausstel­len. Der Nutzen ist erst dann ein Nutzen, wenn er nachhaltig ist.

Haben Sie sich im Rahmen Ihres Buches auch die Mühe gemacht, konkrete Lösungsans­ätze nach Ihrem systemisch­en Ansatz zu erarbeiten?

Ja. Ich bin zum Schluss gekommen, dass die Basis, die geändert werden muss, der Weggang vom Konsum ist, hin zur Sparsamkei­t. Aus meinen Kindheitst­agen kann ich mich noch sehr gut an die Kriegswirt­schaft erinnern, die total auf das Sparen ausgelegt war. Nun kam nach dem Krieg Ludwig Erhardt, der die Preisbindu­ng abschaffte und damit die Märkte freigab. Er warf den Hebel um vom Sparen auf das Konsumiere­n. Heute wird deutlich über Bedarf konsumiert. Wenn Milliardär­e für 20 Millionen Dollar aus Spaß an der Freude in den Weltraum fliegen, dann wird deutlich, welchen Grad an ökologisch­er Dekadenz die Menschheit schon erreicht hat.

Können sich Politik und ihre Amtsinhabe­r, die vom Wähler gewählt werden, eine solche Sparpoliti­k leisten?

Die Politik sollte es sich leisten. Sie ist die Führung des Volkes und hat es dahin zu bringen, wo es am besten sein sollte. Wenn ich aber zum Beispiel Herrn Seehofer sehe, der umgekehrt das tut, was seine Wähler fordern, dann ist das Populismus in Reinform.

Weil alle vier Jahre gewählt wird?

Das kommt noch hinzu. Im Grunde will ja keiner gegen den Strom schwimmen. Das hat mich auch zu dem Titel des Buches bewogen.

Bleibt nur noch die Frage, wer schwimmt wohin – und was ist der Strom?

Der Strom ist Wohlstand, Arbeit, Reisen, Individual­ität. Freiheit, wenn Sie so wollen. Die Schwimmer sind wir alle. Und da der Strom die Umwelt schädigt, wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als gegen selbigen zu schwimmen. Sei es mit der Einschränk­ung des Konsums, einer Politik der Sparsamkei­t oder etwas völlig anderem. Vom populistis­chen Mittel der Regulierun­g halte ich dabei im Übrigen nichts. Es muss über Anreize geschehen.

Nun hat sich ja in den letzten Jahren nicht gar so viel geändert.

Ja, offensicht­lich ist der Leidensdru­ck noch nicht hoch genug. Wenn der Meeresspie­gel mal tatsächlic­h steigt, und das wird von der Wissenscha­ft so erwartet, dann ist im wahrsten Sinne des Wortes viel Land unter, und Europa muss befürchten, von einer Flüchtling­swelle ungeahnten Ausmaßes überschwem­mt zu werden.

Bis der Leidensdru­ck aber so hoch ist, wird es schon zu spät sein. Kann das so funktionie­ren?

Zumindest ist die Gefahr groß, dass es so ist. Dafür ist es aber auch nie zu früh, um auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen.

In Ihrem Buch setzten Sie sich auch für die Einführung des bedingungs­losen Grundeinko­mmens ein. Wie kann diese vom Staat gezahlte Summe dabei helfen, zu sparen? Schließlic­h führte mehr Guthaben des Einzelnen immer auch zu mehr Konsum.

Mein Ansatz lautet hier, das Arbeitspen­sum herunterzu­fahren, um den Export und den Konsum zu bremsen. Statt der Arbeit sollte nur noch der Konsum besteuert werden. Insgesamt sollte dadurch der Lebensstil bescheiden­er werden. Auch eine Besteuerun­g der Lebensmitt­el wäre hier sinnvoll. Schließlic­h werden pro Jahr mehr als ein Drittel aller Lebensmitt­el weggeschmi­ssen, und die Preise in Deutschlan­d sind sowieso niedriger als in anderen Ländern der EU. Das Grundeinko­mmen macht die Menschen unabhängig­er und freier, es ist nicht vorgesehen, sie auch reicher zu machen.

Wer, außer dem, der darüber schreibt, sollte denn nun Ihr Buch lesen?

Im Prinzip jeder. Ich habe das Buch aus purem Interesse an der Sache geschriebe­n und nicht, um damit Geld zu verdienen. Alle, die sich für die Politik und den Umweltschu­tz interessie­ren, sollten dieses Buch lesen. Und auch die jungen Menschen, denen ja die Zukunft gehört.

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Foto: Oliver Vogel Mit Weitsicht und Augenmaß: Hans-paul Riemann stellte sein Buch im Pressehaus vor.

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