Heidenheimer Neue Presse

Draghi verbilligt in Italien den Treibstoff

Während die Ampelkoali­tion noch streitet, reduziert der Staat im Süden Europas staatliche Mineralöls­teuern.

- Dominik Straub

Rom. Das Ziel der Maßnahme sei es, die Mehrbelast­ungen vor allem für ärmere Familien abzufedern und den Unternehme­n, die besonders unter der Verteuerun­g der Treibstoff­preise litten, die Fortführun­g ihrer Produktion zu ermögliche­n, begründete Italiens Ministerpr­äsident Mario Draghi das Regierungs­dekret zur Senkung der Mineralöls­teuern, das am Mittwoch in Kraft trat.

Doch der Verweis auf die besonders von den Preissteig­erungen Betroffene­n vermag nicht darüber hinwegzutä­uschen, dass die Regierung zur Gießkanne greift: Die Verbilligu­ng des Treibstoff­s an den Tankstelle­n kommt allen zugute, auch den gutbetucht­en Fahrern von Ferraris und schweren Luxus-geländewag­en. Dies war freilich im autoverrüc­kten Italien kaum ein politische­s Thema: Hauptsache, der Sprit wird endlich billiger.

Die große Frage ist bloß, ob die Senkung der Mineralöls­teuer um 25 Prozent durch den Staat in vollem Umfang an die Autofahrer weitergege­ben wird. Die Vereinigun­g der Tankstelle­nbetreiber hat jedenfalls bereits zu bedenken gegeben, dass die Tanks unter den Zapfsäulen derzeit mit Benzin oder Diesel gefüllt seien, die sie noch vor der Senkung der Steuern bestellt und bezahlt hätten. Müssten sie diesen Treibstoff 25 Cent billiger verkaufen, würden sie draufzahle­n. Die Tankwarte sprechen denn auch bereits davon, dass es noch „einige Tage“dauern könnte, bis die Steuersenk­ung an die Kunden weitergege­ben werde. Und weil die meisten Autofahrer dann nicht mehr so genau wissen, wie teuer der Sprit am 23. März gewesen war, und weil sich die Preise ohnehin ständig ändern, besteht die konkrete Gefahr, dass nicht die ganzen 25 Cent bei den Konsumente­n ankommen werden.

Die Senkung der Mineralöls­teuer ist außerdem ein befristete­r Schnellsch­uss: Das Dekret gilt nur bis Ende April, keine 40 Tage. Draghi begründet dies mit der starken Fluktuatio­n der Preise und schloss nicht aus, dass die

Regierung weitere Maßnahmen nachlegen könnte, sollte dies die Entwicklun­g erfordern.

Zumindest belastet die Maßnahme nicht den Staatshaus­halt: Sie kostet zwar 110 Millionen Euro pro Tag (insgesamt 4,4 Milliarden Euro bis Ende April), aber diese Kosten werden weitgehend kompensier­t durch höhere Mehrwertst­euer-einnahmen, die sich durch die starken Preissteig­erungen ergeben hat. Außerdem will der Staat nun die Extra-gewinne, die die Treibstoff­konzerne dank der Preissteig­erungen erzielt haben, mit einer Sondersteu­er von 10 Prozent belegen.

Zum Nachteil der Kunden

Die Gewinnmaxi­mierung der Treibstoff­konzerne zum Nachteil der Kunden sind in Italien zum Teil noch besser als in anderen Ländern zu beobachten: Wenn die Weltmarktp­reise steigen, werden die höheren Preise jeweils umgehend an die Konsumente­n weitergege­ben – bei fallenden Preisen sinken sie an den Tankstelle­n dagegen nur sehr langsam. „Das können wir nicht mehr länger hinnehmen; es handelt sich hier um eine Frage der nationalen Sicherheit, um eine Notsituati­on“, betonte Draghi schon vor ein paar Tagen. Die Spekulatio­nen bei der Preisbildu­ng von Benzin und Diesel hat in Italien auch schon die Staatsanwä­lte auf den Plan gerufen: Sie ermitteln wegen Betrugs in Milliarden­höhe.

Die Preissteig­erungen und der Krieg in der Ukraine befeuern auch in Italien die Diskussion um einen Boykott russischer Öl- und Gaslieferu­ngen. Die Regierung Draghi war bei der Verhängung der ersten Sanktionen gegen Moskau bezüglich des Einbezugs russischer Energielie­ferungen zusammen mit Berlin zunächst auf die Bremse getreten – Italien bezieht 43 Prozent seines Gasverbrau­chs aus Russland. Angesichts der immer drastische­ren Kriegsverb­rechen der russischen Armee in der Ukraine würde sich Italien nun aber auch einem Boykott von Öl und Gas anschließe­n.

 ?? ?? Volle Tankstelle in Italien: Solche Bilder könnte es in dem Land bald öfter geben, wenn die befristete Steuersenk­ung richtig wirkt.
Volle Tankstelle in Italien: Solche Bilder könnte es in dem Land bald öfter geben, wenn die befristete Steuersenk­ung richtig wirkt.

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