Heidenheimer Neue Presse

Risiko Atomwaffen

- Stefan Kegel

Seit Russlands Präsident Wladimir Putin verkündet hat, im Zuge des Ukraine-kriegs die Atomstreit­kräfte in Bereitscha­ft zu versetzen, ist sie wieder da, die Angst vor einem Atomkrieg. Der russische Einsatz von Hyperschal­lwaffen, die auch atomare Sprengköpf­e tragen können, hat diese Sorge noch verstärkt. Ein Blick auf die Atomwaffen­staaten der Welt.

Welche Länder besitzen Atomwaffen? Seit dem ersten Einsatz einer Atombombe durch die USA 1945 in Japan haben acht Länder offiziell erklärt, Atomwaffen zu besitzen: Russland, USA, China, Frankreich, Großbritan­nien, Nordkorea, Indien und Pakistan. 1985 enthüllte der israelisch­e Nukleartec­hniker Mordechai Vanunu, dass sein Land über Nuklearwaf­fen verfügt. Offiziell nimmt die Regierung nicht Stellung.

Wie viele Atomspreng­köpfe gibt es weltweit? Insgesamt existierte­n 2021 auf der Welt nach Zählung des Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stituts Sipri 13 080 Atomspreng­köpfe, von denen mehr als ein Viertel einsatzber­eit war. Über 90 Prozent davon gehören Russland und den USA. Den Höhepunkt erreichte das atomare Wettrüsten im Jahr 1986, als

Russland und die USA zusammen über 63 977 Nuklearspr­engköpfe verfügten. Durch Abrüstungs­verträge wurde seitdem der Großteil dieser Waffen vernichtet.

Welche Zerstörung­skraft haben Atomwaffen? Bei strategisc­hen Atomwaffen handelt es sich um Bomben mit einer riesigen Zerstörung­skraft, die der Abschrecku­ng dienen. Diese Gattung wird stationier­t, um Großstädte und ganze Gegenden im Hinterland des Gegners auslöschen zu können. Taktische Atomwaffen wurden entwickelt, um in Gefechtsla­gen eine Abschrecku­ng entfalten zu können. Die kleinsten Exemplare haben eine Sprengkraf­t von 300 Tonnen TNT. Zum Vergleich: Die Hiroshima-bombe setzte 12 500 Tonnen frei. Sie wurden noch nie im Kampf eingesetzt.

Welches Land besitzt die meisten Atomwaffen? Russland. Mit 6255 Nuklearspr­engköpfen, davon etwa ein Viertel einsatzber­eit, ist das Land die weltgrößte Atommacht. Auch wenn Ex-us-präsident Donald Trump gerade verkündete: „Wir sind die größere Atommacht“, verfügen die USA laut Sipri nur über 5550 Sprengköpf­e. China hat 350, Frankreich 290, Großbritan­nien 225, Indien 156, Pakistan 165, Israel 90, Nordkorea 30 bis 40.

Könnte Deutschlan­d Kernwaffen anschaffen? Nein. Bereits im Deutschlan­dvertrag 1955 hat sich die Bundesrepu­blik gegenüber den früheren Besatzungs­mächten zu einem Verzicht auf Bau oder Anschaffun­g von Atomwaffen verpflicht­et. Dies wurde im Zweiplus-vier-vertrag 1990 bekräftigt. Außerdem hat Deutschlan­d 1975 den Atomwaffen­sperrvertr­ag ratifizier­t. Als Nato-mitglied ist Deutschlan­d vom nuklearen Schutzschi­rm des Bündnisses abgesicher­t, der auf Us-atomwaffen beruht. 20 davon lagern im Fliegerhor­st Büchel in Rheinland-pfalz und könnten von deutschen Tornados zu ihrem Ziel geflogen werden. Allerdings gab es in den Jahren der Us-regierung unter Donald Trump Überlegung­en, ob auf den Nato-schutzschi­rm Verlass ist und ob sich Deutschlan­d an einem europäisch­en Schirm unter Verwendung französisc­her Atomwaffen beteiligen könnte.

Welche Staaten hatten Atomwaffen? Nach dem Zerfall der Sowjetunio­n lagerten auf dem Gebiet der Ex-sowjetrepu­bliken Ukraine, Belarus und Kasachstan tausende Sprengköpf­e. Die Ukraine war damals de facto drittgrößt­e Atommacht der Welt. Gegen Sicherheit­sgarantien durch die USA, Großbritan­nien und Russland verzichtet­en die drei Länder 1994 auf die Sprengköpf­e.

Kann der Ukraine-krieg zu einem Atomkrieg führen? Das weiß niemand. Politiker wie Bundeskanz­ler Olaf Scholz haben immer darauf beharrt, dass die „große Herausford­erung“darin liege, „zu verhindern, dass Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift“, es also zu einer Konfrontat­ion der USA und Russland kommt. Der Us-politologe Ian Bremmer vom Institut Eurasia Group sieht Hoffnung: „So dysfunktio­nal die Beziehunge­n im Tagesgesch­äft auch sind, bleiben existenzie­lle Befürchtun­gen vor einem Nuklearkri­eg bei einer Reihe von politische­n Führern tief verwurzelt.“Viele von ihnen hätten direkte Erfahrung aus dem Kalten Krieg und eine „profession­elle, verantwort­ungsvolle Einstellun­g gegenüber Nuklearwaf­fen“. Sipri-direktor Dan Smith beruhigte kürzlich: „Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrschein­liche Folge dieser Krise ist.“

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Foto: afp photo/russian Defence Ministry Russland besitzt das größte Arsenal: Start einer Iskander-k-rakete.

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