Papierflut im Gesundheitsamt?
Ein digitales Portal für die Impfpflicht sollte die Ämter entlasten. Viele Einrichtungen melden aber per Post.
Stuttgart. Seit vergangener Woche ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft, bis spätestens kommende Woche müssen Krankenhäuser, Pflegeheime und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen den Gesundheitsämtern diejenigen Mitarbeiter melden, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind. Damit die Gesundheitsämter die Daten direkt weiterverarbeiten können, hat das Land ein Portal eingerichtet, bei dem die Mitarbeiter digital gemeldet werden können. Dieses Portal ist aus Sicht des Landes erfolgreich gestartet. Probleme seien bisher keine gemeldet worden, teilt ein Sprecher des Sozialministeriums mit.
Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Zwischenbilanz haben 2617 Einrichtungen und Unternehmen Daten übermittelt. Mehr als die Hälfte, 1430 Einrichtungen, haben den Online-meldeweg genutzt, die anderen meldeten per Post. Insgesamt wurden den Gesundheitsämtern landesweit 17 052 Beschäftigte genannt, die nicht geimpft und genesen sind oder bei denen es Zweifel an der Richtigkeit des Nachweises gibt. Eine Woche lang ist jetzt noch Zeit für Meldungen.
Mehrere Betreiber von Pflegeeinrichtungen kritisieren das digitale Portal als viel zu kompliziert. „Die meisten Einrichtungen haben die entsprechenden Daten ausgedruckt und per Post an die Gesundheitsämter geschickt“, sagt etwa eine Sprecherin des Caritasverbands Rottenburg-stuttgart, unter dessen Dach mehrere Träger von Pflegeeinrichtungen organisiert sind.
Bei der Diakonie wird das Meldeportal ähnlich beurteilt. Zwar funktioniere dieses technisch, es sei aber gerade für viele ambulante Pflegedienste nicht nutzbar, sagt Gabriele Hönes, Abteilungsleiterin für Pflege bei der Diakonie in Württemberg. Denn um das Portal überhaupt nutzen zu können, brauchen die Einrichtungen ihre Steuernummer. „Allein in Württemberg gibt es aber 250 ambulante Dienste, die keine eigene
Steuernummer haben, sondern direkt von der evangelischen Kirche betrieben werden“, sagt Hönes. Diese müssten eine eigene Nummer erst beantragen – Bearbeitungsund Wartezeit inklusive. „Da haben viele Dienste gesagt: Wir sind raus und melden die Mitarbeiter einfach per Post ans Gesundheitsamt.“
Hotline wenig gefragt
Das hatte auch schon die Evangelische Heimstiftung so angekündigt, Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider hatte damals von einem „katastrophalen Meldeprozedere“gesprochen. Man kapituliere vor der „unfassbaren Bürokratie“. Auch die Landkreise, in deren Verantwortung die Gesundheitsämter liegen, hatten das Portal vor Einführung der Impfpflicht kritisiert und gewarnt, dass viele Einrichtungen der Meldepflicht wohl per Post oder mit dem Faxgerät nachkommen könnten. Für die Gesundheitsämter bedeute das eine massive Mehrarbeit.
Das Ministerium kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Der Meldeprozess im Portal ist eigentlich selbsterklärend“, sagt ein Sprecher. Zudem gebe es Schritt-für-schritt-anleitungen, ein Erklärvideo und eine Hotline, die bei technischen Problemen helfen soll. Die Hotline sei aber nicht sehr gefragt.