Mit frischem Schwung
Der neue Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle präsentiert sich beim Bundesligisten voller Selbstbewusstsein.
Mit Schwung hat sich Alexander Wehrle beim VFB Stuttgart eingeführt. Gerade so, als müsse der neue Vorstandsvorsitzende nicht nur das Podium in den Katakomben der Mercedes-benz-arena erobern, sondern gleich den ganzen Klub kapern. Knapp eine Stunde dauerten Wehrles Erklärungen an die Öffentlichkeit zum Einstand. Bereits am Montag hatte sich der künftige Boss der Belegschaft des Fußball-bundesligisten präsentiert – mit seinen Ideen und seiner einnehmenden Art.
Der Nachfolger von Thomas Hitzlsperger steht vor einer Reihe von Herausforderungen, die er in den nächsten vier Jahren angehen will. So lange läuft sein Vertrag als Vorsitzender eines Vorstandes, der in den vergangenen Monaten komplett neu besetzt wurde. „Wir brauchen Ruhe, Geschlossenheit und Kontinuität, um Erfolg haben zu können“, sagt der gebürtige Bietigheimer.
Eine lange Einarbeitungszeit gesteht sich Wehrle selbst nicht zu. Mit voller Kraft stürzt er sich in das neue Projekt und will dem VFB dabei Selbstbewusstsein vermitteln. Zuvor gibt es noch einige Bereiche zu beackern. Ein Überblick.
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Pellegrino Matarazzo zu den Ersten, die der neue Vorstandsvorsitzende zum Gespräch bat. Denn auf der Prioritätenliste von Wehrle, der auch Sportvorstand ist, steht ziemlich weit oben, das Duo über 2023 hinaus an den VFB zu binden. „Sie sind Schlüsselfiguren“, sagt der neue starke Mann.
Investorensuche Natürlich kennt sich Alexander Wehrle mit Zahlen aus. Das ist ja sein eigentliches Stammressort, weshalb er die wirtschaftliche Lage des VFB gut einzuschätzen weiß: „Mehr als 80 Millionen Euro an Umsatzverlust seit dem Coronaausbruch sind ein Brett.“Deshalb hat er auch schon einen Plan, wie er der Misere begegnen will. „Wir wollen Mercedes noch viel, viel enger in die Kooperation mit uns bringen“, sagt Wehrle. Allerdings soll es beim Autobauer auch Überlegungen geben, schrittweise aus dem Sponsoring auszusteigen.
Bei der Suche nach weiteren Investoren will sich der Ag-chef dennoch nicht drängen lassen. „Wir müssen die Zeit bekommen, den richtigen beziehungsweise die richtigen Partner zu finden“, sagt Wehrle. Ein großer strategischer Investor ist ebenso denkbar wie mehrere mittelständische Unternehmen. Zuletzt erwarb der Sportausrüster Jako 1,16 Prozent der Anteile für vier Millionen Euro. Mercedes hält als Ankerinvestor 11,75 Prozent und zahlte dafür unmittelbar nach der Ausgliederung 2017 etwa 40 Millionen Euro. Dank einer Kapitalerhöhung sind noch 13,9 Prozent der Vfb-anteile zu haben. „Wir machen es aber nicht um jeden Preis“, sagt Wehrle.
Fans Den 3:2-Sieg am Samstag gegen den FC Augsburg hat Wehrle vor dem Fernseher erlebt - und dabei das Gefühl gehabt, im Stadion zu sitzen. „Das war eine Explosion. Die Euphorie der Fans ist absolut faszinierend gewesen.“Er nimmt mit großer Freude wahr, dass während der Corona-pandemie nicht wie andernorts eine Distanzierung der Anhänger vom Profiklub vor Ort stattgefunden habe: „Ich spüre hier eine große Lust auf Fußball, die Begeisterung ist da. Selbst beim Rückstand gegen den FC Augsburg gab es eine große Geschlossenheit“, meint Wehrle, „das war beim VFB nicht immer so.“
Präsident Das Verhältnis von Claus Vogt zum bisherigen Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger war nicht immer ungetrübt. Weshalb die Rückkehr von Alexander Wehrle auch für den Vfb-präsidenten ein Neuanfang ist – dem er voller Optimismus entgegensieht. „Diese Personalentscheidung musste sitzen“, sagt Vogt, und aus seiner Sicht tut sie das auch: „Alexander Wehrle hat sich im Auswahlprozess mit Bravour durchgesetzt. Er ist eines der Gesichter der Bundesliga, ein Top-manager im Profifußball, die Idealbesetzung. Er passt perfekt zum VFB.“Und das auch, weil er sich bewusst für eine Rückkehr in die alte Heimat entschieden habe. „Er hat ein sehr lukratives Angebot des 1. FC Köln zur Verlängerung ausgeschlagen, andere Vereine haben um ihn gebuhlt“, erklärt Vogt, „doch der VFB ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Für uns hätte es nicht besser laufen können.“