Heidenheimer Neue Presse

Gärtner unter Druck

Gestiegene Energiekos­ten, hohe Ausgaben für Personal und Dünger. Die Preise für heimisches Obst und Gemüse werden wohl weiter kräftig steigen.

- Von Julia Kling

Egal, ob für Energie oder Lebensmitt­el – an der Kasse müssen die Kundinnen und Kunden momentan spürbar mehr bezahlen als noch vor einem Jahr. Allein im Februar stiegen die Preise für Lebensmitt­el gegenüber dem Vorjahresm­onat laut Statistisc­hem Bundesamt um 5,3 Prozent. Für frisches Gemüse mussten die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r sogar 11 Prozent mehr ausgeben. Während Äpfel im Jahresverg­leich lediglich 2 Prozent teurer wurden, stiegen die Preise für Tomaten um 27 Prozent, Gurken verteuerte­n sich um mehr als 30 Prozent.

Das ist aller Voraussich­t nach noch nicht das Ende der Entwicklun­g. „Die gesamte Obst- und Gemüseprod­uktion ist sehr energieint­ensiv“, erklärt der Präsident des Baden-württember­gischen Genossensc­haftsverba­nds. „Dabei geht es nicht nur um Unterglasa­nbau und die Beheizung von Gewächshäu­sern.“Viel Energie erfordere auch die gekühlte und klimatisie­rte Lagerung von Obst und Gemüse.

Keine seriöse Prognose möglich

Die gestiegene­n Energiekos­ten seien jedoch nur ein Grund warum, die Verbrauche­rpreise für heimisches Obst und Gemüse im laufenden Jahr teurer werden. Die Betriebsko­sten steigen entlang der gesamten Wertschöpf­ungs

kette etwa beim Düngemitte­l oder auch Personal. In vielen Betrieben sei daher kein Puffer mehr vorhanden, um signifikan­te Kostenstei­gerungen abzufedern. In welchem Rahmen die Preise steigen werden, lasse sich derzeit jedoch nicht seriös vorhersage­n. „Ich wage keine Prognose.“

Auch Michael Koch, Experte bei der Agrarmarkt Informatio­ns-gesellscha­ft (AMI), nennt keine Zahlen. Dass heimisches Obst und Gemüse jedoch auch für den Konsumente­n teurer werden müsse, davon ist auch er überzeugt. „Es wäre vermessen, wenn der Erzeuger als einziger die gestiegene­n Kosten trage müsste.“

Der Obst- und Gemüseanba­u sei abgesehen von den derzeitige­n Kostentrei­bern abhängig vom Wetter. „Das führt generell zu sehr starken kurzfristi­gen Schwankung­en des Preises für den Endverbrau­cher.“So sei aufgrund der intensiven Regenfälle im vergangene­n Sommer etwa der Preis für Kopfsalat von Juli auf August um 20 Cent gestiegen. „Im Sommer sind wir in Deutschlan­d bei Salat eigentlich Selbstvers­orger, da können dann Produzente­n aus anderen europäisch­en Ländern auch nicht so schnell einspringe­n.“

Anders als etwa beim Sonnenblum­enöl spiele weder Russland noch die Ukraine im Obst- und Gemüsebere­ich als Importeur eine große Rolle. „Am ehesten noch bei Pfifferlin­gen“, sagt Koch. Da werde die Situation dann jedoch erst im Herbst akut. Der Export heimischer Produkte nach Russland sei bereits seit 2014 stark eingeschrä­nkt, damals erließ Russlands Präsident Wladimir Putin ein Einfuhrver­bot für Lebensmitt­el aus der EU, das bis heute Bestand hat.

Durch den Verfall des Rubels könne es jedoch dazu kommen, dass russische Händler Lebensmitt­el etwa aus Marokko, Chile oder Türkei nicht bezahlen können und somit Ware auf den deutschen Markt komme, die nicht eingeplant war, erklärt Koch. „Es werden regelmäßig allein 200 000 Tonnen Äpfel aus Neuseeland, Südafrika, Chile, Brasilien und Argentinie­n nach Russland exportiert. Insgesamt importiert Russland 4,5 Millionen Tonnen Obst“, sagt Egon Treyer von der Marktgemei­nschaft Bodenseeob­st in Friedrichs­hafen. Dann könne es sogar eine gegenteili­ge Entwicklun­g geben und die Preise fallen.

Kunde hat die Wahl

Diese Masse müsse verkauft werden. „Und wenn das in Russland nicht geht, ist Deutschlan­d als größtes Konsumland ein beliebtes Ziel.“Die Frage sei dann, wie der Handel darauf reagiere, sagt Koch. „Hält er an regionalen Produkten fest oder kauft er günstigere Produkte aus dem Ausland ein?“Dann werde sich die Wertschätz­ung heimischer Produkte zeigen.

„Der Kunde muss sich beim Einkaufen entscheide­n, ob er Obst und Gemüse aus deutscher Erzeugung will oder nicht“, sagt Johannes Bliestle, Geschäftsf­ührer der Reichenau-gemüse. Dabei gehe es auch um die generelle Frage: „Wollen wir noch eine Produktion in Deutschlan­d? Und sind wir bereit die Mehrkosten am Regal zu tragen?“Wenn nicht, müsse jedoch mittelfris­tig mit einer Abwanderun­g der Produktion in andere europäisch­e Länder gerechnet werden. „Dann dürfen wir uns später aber auch nicht über eine weitere Abhängigke­it von anderen Staaten beschweren“, gibt Bliestle zu bedenken.

„Wenn ich auf die Preisschil­der für Heidelbeer­en aus Chile oder Himbeeren aus Spanien derzeit schaue, wird mir ganz bang“, sagt Hans Lehar von der Obstund Gemüse-absatzgeno­ssenschaft Nordbaden in Bruchsal. „Wenn die Kunden mit diesen Preisvorst­ellungen in die Saison gehen, wird es für uns ein Fiasko.“Die Preise aus den Vorjahren seien angesichts der derzeitige­n Rahmenbedi­ngungen nicht zu halten. Die Anhebung des Mindestloh­ns im Oktober diesen Jahres verschärfe den Wettbewerb­snacht innerhalb Europas nochmal. „Die Lohnkosten machen etwa 60 Prozent des Umsatzes aus.“

Es wäre vermessen, wenn der Erzeuger allein die gestiegene­n Kosten trage müsste. Michael Koch

AMI

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