Das Material wird knapp
Steigende Preise und fehlende Rohstoffe infolge des Ukraine-kriges wirbeln die Pläne von Bauherren durcheinander. Nun drohen Baustopps.
Steigende Kosten und längere Lieferzeiten für Material, das am Bau benötigt wird, kennen Bauunternehmen und Bauherren bereits seit Jahren. Jetzt schlägt die Bauindustrie jedoch Alarm. Die Folgen des andauernden Kriegs Russlands gegen die Ukraine treffen die Baustellen hierzulande mit Wucht, wie der Verband mitteilte. „Wir haben große Preissteigerungen, etwa bei Stahl, Bitumen und Aluminium gesehen“, sagt Tim-oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie. Teilweise gebe es Preisgarantien nur noch im Stundenrhythmus. „Angebote wie bisher seriös zu kalkulieren und abzugeben, ist damit unmöglich.“
Doch nicht nur die Preise steigen, auch die Lieferung sei nicht mehr garantiert. „Wir können heute nicht sicher sagen, ob genügend Material für alle Baustellen in Deutschland vorhanden sein wird“, sagt Tim-oliver Müller, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie.
Bislang seien die Unternehmen davon ausgegangen, dass die Preissteigerungen auf die Sorge vor Lieferengpässen und weiteren Sanktionen zurückzuführen sei. „Heute wissen wir aber, dass die Stahlproduzenten ihre Produktion drosseln müssen. Zudem haben große Raffinerien angekündigt, ihre Bitumen-produktion, die dringend für den Straßenbau benötigt wird, kurzfristig deutlich reduzieren zu müssen“, berichtet Müller. Teilweise sei der Import von Schrauben oder auch Nägeln angesichts der Sanktionen nicht mehr möglich.
Die Auswirkungen dieser Entwicklung spüren auch private Bauherren. Welche Rechte sie haben und wo das Gespräch mit dem Bauunternehmen ratsam ist, erklärt Erik Stange vom Bauherren-schutzbund.
Müssen private Bauherren mit Baustopps rechnen? „Bundesweit kommt es auf den meisten Baustellen aktuell zu Verzögerungen“, beobachtet Stange. Drei Monate sind hierbei fast schon die Regel, nicht selten erstreckt sich der zusätzliche Zeitraum bis zur Fertigstellung aber auch auf sechs bis zwölf Monate. Für Bauherren bedeute das häufig eine finanzielle Doppelbelastung, durch verlängerte Mietzahlungen, Lagerkosten für Möbel oder den Umzug in eine vorübergehende Unterbringung.
Darf das Bauunternehmen die Arbeit „einfach so“ruhen lassen? Wer jetzt baut, sollte Stange zufolge mit einem Puffer von mindestens sechs Monaten planen. „Wichtig ist, dass im Hausbauvertrag ein konkreter Fertigstellungstermin genannt ist.“Zudem sei eine Vertragsprüfung durch einen Fachanwalt vor der Unterschrift
in der aktuellen Situation dringender denn je anzuraten. „Damit wird das Risiko rechtlicher Fallstricke und weiterer möglicher Zusatzbelastungen minimiert“, sagt Stange. Auch die Bauausführung sollte durch einen Sachverständigen begleitet werden, um Pfusch und Folgeschäden zu vermeiden. Im Falle eines Baustopps rät Stange, das Unternehmen zunächst schriftlich zur Fortsetzung aufzufordern. Reagiert es nicht, sollte ein Fachanwalt hinzugezogen werden.
Kann ich für die Bauverzögerung eine Entschädigung verlangen? Bei Bauverzögerungen sollten Bauherren nach Fertigstellung ihren Anspruch auf Schadenersatz prüfen, rät Stange. Wichtig sei dafür, alle anfallenden Zusatzkosten – etwa Hotel- und Lagergebühren – genau zu dokumentieren. Ob die Forderungen dann durchsetzbar sind, sei allerdings fraglich.
Kann ein Bauträger nachträglich höhere Kosten beim Vertragspartner geltend machen? „In der Regel nicht. Ist ein Vertrag geschlossen, gilt der vereinbarte Preis“, sagt Stange. Trotzdem komme es vor, dass auch große Baufirmen pauschal Nachforderungen mit losem Bezug auf die höheren Materialkosten stellen. „Im vergangenen halben Jahr beliefen sich diese Forderungen unserer Erfahrung nach auf etwa 3000 bis 6000 Euro.“Bauherren sollten solche Pauschalschreiben unbeachtet lassen. Sollte ein Unternehmer nachvollziehbar belegen, dass höhere Kosten sein Geschäftsmodell bedrohen, sollte man sich jedoch im Sinne der Fairness und der Baufertigstellung an einen Tisch setzen und einen Kompromiss finden. „Denn eine Firmeninsolvenz mitten im Bau ist das Schlimmste, das Bauherren drohen kann.“
Hier sieht der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie, Tim-oliver Müller, allerdings Änderungsbedarf: „Helfen würde uns für alle Verträge die Vereinbarung einer Preisgleitklausel, insbesondere für laufende Verträge.“Das heißt die Übernahme von unkalkulierbar gestiegenen Mehrkosten durch die Auftraggeber. Sollte dies umgesetzt werden, könnte es für private Bauherren ein böses Nachspiel haben.