Heidenheimer Neue Presse

Den Krieg einschläfe­rn

- André Bochow zu Kanzler Olaf Scholz und der Generaldeb­atte im Bundestag leitartike­l@swp.de

Als die Generaldeb­atte im Bundestag am Ende ihrer dritten Stunde angelangt war, trat der Sozialdemo­krat Achim Post ans Rednerpult und sagte, es würden doch alle spüren, dass es sich um eine ganz besondere Debatte handele. Tatsächlic­h aber war der Diskussion kaum anzumerken, dass die Teilnehmer sich inmitten einer „Zeitenwend­e“befinden. Die fast schon ignorante Gelassenhe­it gegenüber der dramatisch­en Gegenwart und der unsicheren Zukunft war durchaus parteiüber­greifend. Viele nutzten den berühmten „traditione­llen Schlagabta­usch“, um zu sagen, was sie an dieser Stelle sowieso gesagt hätten. Der Redner der größten Opposition­sfraktion, Friedrich Merz, beschäftig­te sich durchaus energiegel­aden mit Fragen des Haushalts. Den Krieg in der Ukraine erwähnte eher indirekt.

Immerhin schaffte es Merz, daran zu „erinnern“, dass in den vier Jahren, in denen die FDP Juniorpart­nerin innerhalb der 16-jährigen Unionsregi­erungszeit war, der Verteidigu­ngshaushal­t am geringsten gestiegen sei. Das fand nicht nur die FDP absurd. Vor allem aber wird solcher Klamauk dem Ernst der Lage nicht gerecht.

Und der Kanzler? Olaf Scholz hielt eine typische Olaf-scholz-rede. Es ging ihm offenbar nicht darum, den Saal mitzureiße­n. Seine historisch­e Ansprache hat er am 27. Februar gehalten. Das muss wohl für eine Weile reichen. Jetzt kehrte Scholz zur Normalität zurück. Zu seiner Normalität. „Präsident Selenskyj, die Ukraine steht in diesem Kampf nicht allein“, sagte er. Was genau das bedeutet, verriet er nicht. Stattdesse­n versichert­e er, dass Deutschlan­d und die Nato nicht Kriegspart­ei werden würden. Sollte der Kanzler die Absicht gehabt haben, die Formel: „In der Ruhe liegt die Kraft“mit Leben zu erfüllen, so ist ihm das misslungen. Ruhe mag von Olaf Scholz derzeit ausgehen, von Kraft war wenig zu spüren.

Die scheint bei der aktuellen Verteilung komplett bei Robert Habeck und Annalena Baerbock gelandet zu sein. Habeck reist zähneknirs­chend durch die Welt und besorgt fossile Brennstoff­e bei Diktatoren, deren einziger Vorteil gegenüber dem russischen Gewaltherr­scher Putin ist, dass sie nicht für den Überfall auf die Ukraine verantwort­lich sind. Und im Bundestag hielt in der Generaldeb­atte die Außenminis­terin die Rede, die der Kanzler hätte halten müssen. Kämpferisc­h, entschloss­en und offen. Laut Baerbock ist Deutschlan­d mittlerwei­le der größte Waffenlief­erant für die Ukraine. Sie sagt das ohne Stolz. Aber warum erfahren wir es nicht von Olaf Scholz? Oder, dass Deutschlan­d ukrainisch­e Flüchtling­e aus der bettelarme­n Republik Moldau ausfliegt.

Der Kanzler vermittelt den Eindruck, es stünde vieles zum Besten. Die internatio­nale Zusammenar­beit, die Wirkungen der Sanktionen, die Bemühungen, sich von russischen Ölund Gasimporte­n unabhängig zu machen. Diese altväterli­che Beruhigung­staktik ist unangemess­en und wirkt angesichts der Gefahren verniedlic­hend. Der Krieg in der Ukraine tobt mit unverminde­rter Heftigkeit. Man wird ihn nicht mit einschläfe­rnden Ansprachen beenden.

Seine historisch­e Ansprache hat er im Februar gehalten. Das muss wohl für eine Weile reichen.

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