Den Krieg einschläfern
Als die Generaldebatte im Bundestag am Ende ihrer dritten Stunde angelangt war, trat der Sozialdemokrat Achim Post ans Rednerpult und sagte, es würden doch alle spüren, dass es sich um eine ganz besondere Debatte handele. Tatsächlich aber war der Diskussion kaum anzumerken, dass die Teilnehmer sich inmitten einer „Zeitenwende“befinden. Die fast schon ignorante Gelassenheit gegenüber der dramatischen Gegenwart und der unsicheren Zukunft war durchaus parteiübergreifend. Viele nutzten den berühmten „traditionellen Schlagabtausch“, um zu sagen, was sie an dieser Stelle sowieso gesagt hätten. Der Redner der größten Oppositionsfraktion, Friedrich Merz, beschäftigte sich durchaus energiegeladen mit Fragen des Haushalts. Den Krieg in der Ukraine erwähnte eher indirekt.
Immerhin schaffte es Merz, daran zu „erinnern“, dass in den vier Jahren, in denen die FDP Juniorpartnerin innerhalb der 16-jährigen Unionsregierungszeit war, der Verteidigungshaushalt am geringsten gestiegen sei. Das fand nicht nur die FDP absurd. Vor allem aber wird solcher Klamauk dem Ernst der Lage nicht gerecht.
Und der Kanzler? Olaf Scholz hielt eine typische Olaf-scholz-rede. Es ging ihm offenbar nicht darum, den Saal mitzureißen. Seine historische Ansprache hat er am 27. Februar gehalten. Das muss wohl für eine Weile reichen. Jetzt kehrte Scholz zur Normalität zurück. Zu seiner Normalität. „Präsident Selenskyj, die Ukraine steht in diesem Kampf nicht allein“, sagte er. Was genau das bedeutet, verriet er nicht. Stattdessen versicherte er, dass Deutschland und die Nato nicht Kriegspartei werden würden. Sollte der Kanzler die Absicht gehabt haben, die Formel: „In der Ruhe liegt die Kraft“mit Leben zu erfüllen, so ist ihm das misslungen. Ruhe mag von Olaf Scholz derzeit ausgehen, von Kraft war wenig zu spüren.
Die scheint bei der aktuellen Verteilung komplett bei Robert Habeck und Annalena Baerbock gelandet zu sein. Habeck reist zähneknirschend durch die Welt und besorgt fossile Brennstoffe bei Diktatoren, deren einziger Vorteil gegenüber dem russischen Gewaltherrscher Putin ist, dass sie nicht für den Überfall auf die Ukraine verantwortlich sind. Und im Bundestag hielt in der Generaldebatte die Außenministerin die Rede, die der Kanzler hätte halten müssen. Kämpferisch, entschlossen und offen. Laut Baerbock ist Deutschland mittlerweile der größte Waffenlieferant für die Ukraine. Sie sagt das ohne Stolz. Aber warum erfahren wir es nicht von Olaf Scholz? Oder, dass Deutschland ukrainische Flüchtlinge aus der bettelarmen Republik Moldau ausfliegt.
Der Kanzler vermittelt den Eindruck, es stünde vieles zum Besten. Die internationale Zusammenarbeit, die Wirkungen der Sanktionen, die Bemühungen, sich von russischen Ölund Gasimporten unabhängig zu machen. Diese altväterliche Beruhigungstaktik ist unangemessen und wirkt angesichts der Gefahren verniedlichend. Der Krieg in der Ukraine tobt mit unverminderter Heftigkeit. Man wird ihn nicht mit einschläfernden Ansprachen beenden.
Seine historische Ansprache hat er im Februar gehalten. Das muss wohl für eine Weile reichen.