Kehrseite des Erfolgs
Eine der sichtbarsten Veränderungen der CDU seit der Machtübernahme durch Friedrich Merz steht gleich rechts neben der Tür im großen Vorstandssaal. Ein imposanter Holzkasten mit einer Reihe schwarzer Strombuchsen. „Handy-ladestation“steht darauf, was freundlicher klingt als es gemeint ist. „Handy-einsammelstation“wäre passender. Der neue Chef ist jedenfalls stolz darauf, dass aus den Sitzungen nicht mehr so viel rausgezwitschert wird. Punkt für Merz. Es läuft derzeit für ihn und seine Union. Genau das aber könnte zur Gefahr für einen nachhaltigen Erfolg werden.
Zwei Siege bei drei Landtagswahlen hat Merz nun vorzuweisen, einen soliden Umfragetrend und einige Geschlossenheit – sogar zwischen CDU und CSU. Das ist deutlich mehr als wenige Monate nach dem Absturz bei der Bundestagswahl, dem Pannenwahlkampf und dem Streit um die Kanzlerkandidatur zu erwarten war.
Das alles ist nicht allein Merz’ Verdienst. Der Schrecken des vergangenen Jahres hat dafür gesorgt, dass sich die Union am Riemen reißt. Und dass auch die Merz-skeptiker ihre Bedenken hintenanstellen, was ihnen weit besser gelingt, als es den Kramp-karrenbauerund Laschet-skeptikern gelang.
Dabei hilft, dass Merz eine Erwartung bislang nicht erfüllt: Sorgfältig hat er die Kapitalisten-frauenfeindreaktionär-falle vermieden, in der seine Gegner ihn schon zappeln sahen. Zu Wirtschaftsfragen äußert sich der Millionär derzeit auffallend wenig, was für das Profil seiner Partei schon fast wieder zum Problem wird. Die Grünen umwirbt Merz geradezu, natürlich auch, weil es für die Union eine strategische Befreiung von der schwächelnden FDP und der „grottenschlechten“Groko wäre. Bester Helfer
des Oppositionschefs ist allerdings im Moment die Performance der Regierung im Allgemeinen und des Bundeskanzlers im Besonderen.
Dass Merz 2025 gerne als Kanzlerkandidat für die Union ins Rennen gehen würde, kann als ausgemacht gelten. Fragen nach der möglichen Konkurrenz durch die siegreichen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und Daniel Günther lacht er weg. Daran stimmt: Hätten die beiden verloren und Merz somit drei Wahlpleiten in
Folge kassiert, hätte das seine eigene Position nicht wirklich verbessert.
Das Risiko für die Union ist allerdings – neben der immerwährenden Gefahr, dass Merz überdreht – der Lähmungseffekt, der von den Ergebnissen bei Umfragen und Wahlen ausgehen könnte. Wozu nervige Profildebatten und anstrengende Reformen, wenn die Richtung stimmt? Für die CDU zählen nicht Programme, sondern die Macht. Gerät sie nun wieder in Reichweite, lässt der Schmerz über inhaltliche Leerstellen sogleich nach. Mal sehen, wie weit Merz’ Veränderungsschwung trägt.
Ein wichtiger Test in Sachen Reformfreudigkeit steht übrigens unmittelbar bevor: Gibt sich die CDU eine strengere Frauenquote? Ein ausgearbeiteter Vorschlag liegt auf dem Tisch, aber noch mag Merz sich nicht festlegen. Klar ist: Die Quote wäre um einiges eindrucksvoller als eine Handy-ladestation.
Für die CDU zählt die Macht. Gerät sie in Reichweite, lässt der Schmerz über inhaltliche Leerstellen nach.