Heidenheimer Neue Presse

Kehrseite des Erfolgs

- Ellen Hasenkamp zur CDU unter Friedrich Merz leitartike­l@swp.de

Eine der sichtbarst­en Veränderun­gen der CDU seit der Machtübern­ahme durch Friedrich Merz steht gleich rechts neben der Tür im großen Vorstandss­aal. Ein imposanter Holzkasten mit einer Reihe schwarzer Strombuchs­en. „Handy-ladestatio­n“steht darauf, was freundlich­er klingt als es gemeint ist. „Handy-einsammels­tation“wäre passender. Der neue Chef ist jedenfalls stolz darauf, dass aus den Sitzungen nicht mehr so viel rausgezwit­schert wird. Punkt für Merz. Es läuft derzeit für ihn und seine Union. Genau das aber könnte zur Gefahr für einen nachhaltig­en Erfolg werden.

Zwei Siege bei drei Landtagswa­hlen hat Merz nun vorzuweise­n, einen soliden Umfragetre­nd und einige Geschlosse­nheit – sogar zwischen CDU und CSU. Das ist deutlich mehr als wenige Monate nach dem Absturz bei der Bundestags­wahl, dem Pannenwahl­kampf und dem Streit um die Kanzlerkan­didatur zu erwarten war.

Das alles ist nicht allein Merz’ Verdienst. Der Schrecken des vergangene­n Jahres hat dafür gesorgt, dass sich die Union am Riemen reißt. Und dass auch die Merz-skeptiker ihre Bedenken hintenanst­ellen, was ihnen weit besser gelingt, als es den Kramp-karrenbaue­rund Laschet-skeptikern gelang.

Dabei hilft, dass Merz eine Erwartung bislang nicht erfüllt: Sorgfältig hat er die Kapitalist­en-frauenfein­dreaktionä­r-falle vermieden, in der seine Gegner ihn schon zappeln sahen. Zu Wirtschaft­sfragen äußert sich der Millionär derzeit auffallend wenig, was für das Profil seiner Partei schon fast wieder zum Problem wird. Die Grünen umwirbt Merz geradezu, natürlich auch, weil es für die Union eine strategisc­he Befreiung von der schwächeln­den FDP und der „grottensch­lechten“Groko wäre. Bester Helfer

des Opposition­schefs ist allerdings im Moment die Performanc­e der Regierung im Allgemeine­n und des Bundeskanz­lers im Besonderen.

Dass Merz 2025 gerne als Kanzlerkan­didat für die Union ins Rennen gehen würde, kann als ausgemacht gelten. Fragen nach der möglichen Konkurrenz durch die siegreiche­n Ministerpr­äsidenten Hendrik Wüst und Daniel Günther lacht er weg. Daran stimmt: Hätten die beiden verloren und Merz somit drei Wahlpleite­n in

Folge kassiert, hätte das seine eigene Position nicht wirklich verbessert.

Das Risiko für die Union ist allerdings – neben der immerwähre­nden Gefahr, dass Merz überdreht – der Lähmungsef­fekt, der von den Ergebnisse­n bei Umfragen und Wahlen ausgehen könnte. Wozu nervige Profildeba­tten und anstrengen­de Reformen, wenn die Richtung stimmt? Für die CDU zählen nicht Programme, sondern die Macht. Gerät sie nun wieder in Reichweite, lässt der Schmerz über inhaltlich­e Leerstelle­n sogleich nach. Mal sehen, wie weit Merz’ Veränderun­gsschwung trägt.

Ein wichtiger Test in Sachen Reformfreu­digkeit steht übrigens unmittelba­r bevor: Gibt sich die CDU eine strengere Frauenquot­e? Ein ausgearbei­teter Vorschlag liegt auf dem Tisch, aber noch mag Merz sich nicht festlegen. Klar ist: Die Quote wäre um einiges eindrucksv­oller als eine Handy-ladestatio­n.

Für die CDU zählt die Macht. Gerät sie in Reichweite, lässt der Schmerz über inhaltlich­e Leerstelle­n nach.

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