Heidenheimer Neue Presse

Katzen im Hausarrest

In Walldorf-süd dürfen Katzen bis August nicht mehr raus. Das soll die letzten Haubenlerc­hen-brutpaare am Ortsrand retten.

- Von Alfred Wiedemann

Katzen müssen in Walldorf im Rhein-neckar-kreis im südlichen Stadtgebie­t jetzt in den Häusern bleiben. Die Ausgangssp­erre gilt bis Ende August. Mit dem Verbot soll die bedrohte Haubenlerc­he geschützt werden. Der Vogel stehe auf der Roten Liste und sei vom Aussterben bedroht, so das Landratsam­t Rhein-neckar. Im Südwesten gibt es nur noch zwischen Karlsruhe und Mannheim rund 60 Brutrevier­e, mit Schwerpunk­t zwischen Waghäusel, Walldorf und Ketsch. In Walldorf gab es laut Behörden zuletzt nur noch drei Brutpaare am Ortsrand. Das bedeute ein „hohes Aussterber­isiko“für die Vogelart. Deshalb müssten die Katzen in einem festgelegt­en Quartier drinnen bleiben.

Das Auslaufver­bot soll bis 2025 gelten – jeweils vom 1. April bis zum 31. August. Ausgenomme­n sind Katzen, deren Besitzer per Gps-tracking nachweisen können, dass sich ihr Tier nicht im Gefahrenbe­reich der Haubenlerc­he herumtreib­t. Sonst dürfen die Katzen nur an der Leine raus – länger als zwei Meter darf die Leine aber nicht sein.

Entwischt eine Katze, müssen die Besitzerin­nen und Besitzer „unverzügli­ch“ein von den Behörden beauftragt­es Büro informiere­n und „umgehend“ihre entlaufene Katze suchen und einfangen. Das Landschaft­splaner-büro ist zuständig, weil die Haubenlerc­henvorkomm­en in einem Bauleitpla­nungsverfa­hren festgestel­lt wurden.

Bei Verstößen kann die Behörde 500 Euro Zwangsgeld anordnen. Wer seine Katze bei Bekannten

unterbring­t, damit sie wieder raus kann, muss das weit genug weg erledigen, damit die Katzen nicht in den Geltungsbe­reich der Verordnung zurückkehr­en, heißt es in der Verfügung.

Was bisher zum Schutz der Haubenlerc­hen passierte, habe nicht gereicht, sagen die Behörden. Es gab Baustopps auf Baustellen, Neststando­rte wurden eingezäunt. Geholfen hat alles nicht. Immer wieder hätten von eigentlich erfolgreic­hen Bruten des seltenen Vogels mit jeweils drei bis vier Eiern und Nestlingen nur sehr wenige Jungvögel überlebt. Neben den Katzen liege das auch an Elstern, Rabenkrähe­n sowie Füchsen und Mardern. Es seien auch schon Lebendfall­en aufgestell­t worden und die Füchse bejagt worden.

Ohne ein Freigang-verbot für Hauskatzen gehe es aber nicht, sagt das Landratsam­t, weil die Haubenlerc­hen in Ortsrandla­ge brüten und im Ort „eine hohe Dichte an freilaufen­den Hauskatzen“herrsche, „denen insbesonde­re die noch flugunfähi­gen Jungvögel immer wieder zum Opfer fallen“. Als Bodenbrüte­r, der ausschließ­lich am Boden nach Nahrung sucht, seien Hauskatzen für die Haubenlerc­he „ein bedeutende­r Gefährdung­sfaktor“.

Die Behörden hätten die Verhältnis­mäßigkeit des Auslaufver­bots geprüft, teilt der Rhein-neckar-kreis weiter mit: Der Freigang müssen gestrichen werden, wenigstens in der Zeit, in der Katzen das Tötungsris­iko für die Haubenlerc­hen deutlich erhöhten. „Die Maßnahme ist geeignet, erforderli­ch und angemessen.“

Die Landestier­schutzbeau­ftragte

Julia Stubenbord sieht das Walldorfer Verbot „sehr, sehr kritisch“. Für Katzen, die an Freigang gewöhnt sind, bedeute das plötzliche Einsperren über einen so langen Zeitraum „ganz erhebliche­n Stress und Leid“, sagte die Tierärztin der SÜDWEST PRESSE. Betroffene Katzen könnten je nach Charakter aggressiv und unsauber werden oder sich zurückzieh­en, wenn sie den gewohnten Ausgang nicht mehr haben. Für einen kürzeren Zeitraum, vielleicht bis die Jungvögel flügge sind, halte sie ein Katzen-verbot eher für vertretbar. Über Monate, wie in Walldorf geplant, sei dagegen „sehr, sehr lange“und für Katzen nicht zumutbar, sagte Stubenbord.

Tierschutz­verband will klagen

Der Landestier­schutzverb­and prüft, ob er gegen die Verordnung klagen kann. „Das ist eine absolut realitätsf­erne Anordnung des Landratsam­tes“, sagt der Vorsitzend­e Stefan Hitzler. „Wer so etwas verordnet, hat keine Ahnung.“Eine Katze, die Freigang gewöhnt ist, an die Leine zu nehmen, sei Tierquäler­ei. Außerdem seien verwildert­e Katzen weiter unterwegs. Seit langem kämpfe der örtliche Tierschutz­verein für eine Katzenvero­rdnung mit Kastration­sund Kennzeichn­ungspflich­t, sagt Hitzler. Das sei abgetan worden. Dabei hätten kastrierte Katzen einen kleineren Aktionsrad­ius und jagten auch weniger. Katzenkast­ration sei Tierschutz und dringend nötig, erst 34 Kommunen im Land hätten aber eine Katzenvero­rdnung. „Wir helfen gerne, um das richtig anzupacken“, sagt Hitzler.

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Foto: ©Magui Rf/shuttersto­ck.com Kein Freigang mehr: In einem Teil von Walldorf-süd müssen die Katzen drinnen bleiben.
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