Katzen im Hausarrest
In Walldorf-süd dürfen Katzen bis August nicht mehr raus. Das soll die letzten Haubenlerchen-brutpaare am Ortsrand retten.
Katzen müssen in Walldorf im Rhein-neckar-kreis im südlichen Stadtgebiet jetzt in den Häusern bleiben. Die Ausgangssperre gilt bis Ende August. Mit dem Verbot soll die bedrohte Haubenlerche geschützt werden. Der Vogel stehe auf der Roten Liste und sei vom Aussterben bedroht, so das Landratsamt Rhein-neckar. Im Südwesten gibt es nur noch zwischen Karlsruhe und Mannheim rund 60 Brutreviere, mit Schwerpunkt zwischen Waghäusel, Walldorf und Ketsch. In Walldorf gab es laut Behörden zuletzt nur noch drei Brutpaare am Ortsrand. Das bedeute ein „hohes Aussterberisiko“für die Vogelart. Deshalb müssten die Katzen in einem festgelegten Quartier drinnen bleiben.
Das Auslaufverbot soll bis 2025 gelten – jeweils vom 1. April bis zum 31. August. Ausgenommen sind Katzen, deren Besitzer per Gps-tracking nachweisen können, dass sich ihr Tier nicht im Gefahrenbereich der Haubenlerche herumtreibt. Sonst dürfen die Katzen nur an der Leine raus – länger als zwei Meter darf die Leine aber nicht sein.
Entwischt eine Katze, müssen die Besitzerinnen und Besitzer „unverzüglich“ein von den Behörden beauftragtes Büro informieren und „umgehend“ihre entlaufene Katze suchen und einfangen. Das Landschaftsplaner-büro ist zuständig, weil die Haubenlerchenvorkommen in einem Bauleitplanungsverfahren festgestellt wurden.
Bei Verstößen kann die Behörde 500 Euro Zwangsgeld anordnen. Wer seine Katze bei Bekannten
unterbringt, damit sie wieder raus kann, muss das weit genug weg erledigen, damit die Katzen nicht in den Geltungsbereich der Verordnung zurückkehren, heißt es in der Verfügung.
Was bisher zum Schutz der Haubenlerchen passierte, habe nicht gereicht, sagen die Behörden. Es gab Baustopps auf Baustellen, Neststandorte wurden eingezäunt. Geholfen hat alles nicht. Immer wieder hätten von eigentlich erfolgreichen Bruten des seltenen Vogels mit jeweils drei bis vier Eiern und Nestlingen nur sehr wenige Jungvögel überlebt. Neben den Katzen liege das auch an Elstern, Rabenkrähen sowie Füchsen und Mardern. Es seien auch schon Lebendfallen aufgestellt worden und die Füchse bejagt worden.
Ohne ein Freigang-verbot für Hauskatzen gehe es aber nicht, sagt das Landratsamt, weil die Haubenlerchen in Ortsrandlage brüten und im Ort „eine hohe Dichte an freilaufenden Hauskatzen“herrsche, „denen insbesondere die noch flugunfähigen Jungvögel immer wieder zum Opfer fallen“. Als Bodenbrüter, der ausschließlich am Boden nach Nahrung sucht, seien Hauskatzen für die Haubenlerche „ein bedeutender Gefährdungsfaktor“.
Die Behörden hätten die Verhältnismäßigkeit des Auslaufverbots geprüft, teilt der Rhein-neckar-kreis weiter mit: Der Freigang müssen gestrichen werden, wenigstens in der Zeit, in der Katzen das Tötungsrisiko für die Haubenlerchen deutlich erhöhten. „Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen.“
Die Landestierschutzbeauftragte
Julia Stubenbord sieht das Walldorfer Verbot „sehr, sehr kritisch“. Für Katzen, die an Freigang gewöhnt sind, bedeute das plötzliche Einsperren über einen so langen Zeitraum „ganz erheblichen Stress und Leid“, sagte die Tierärztin der SÜDWEST PRESSE. Betroffene Katzen könnten je nach Charakter aggressiv und unsauber werden oder sich zurückziehen, wenn sie den gewohnten Ausgang nicht mehr haben. Für einen kürzeren Zeitraum, vielleicht bis die Jungvögel flügge sind, halte sie ein Katzen-verbot eher für vertretbar. Über Monate, wie in Walldorf geplant, sei dagegen „sehr, sehr lange“und für Katzen nicht zumutbar, sagte Stubenbord.
Tierschutzverband will klagen
Der Landestierschutzverband prüft, ob er gegen die Verordnung klagen kann. „Das ist eine absolut realitätsferne Anordnung des Landratsamtes“, sagt der Vorsitzende Stefan Hitzler. „Wer so etwas verordnet, hat keine Ahnung.“Eine Katze, die Freigang gewöhnt ist, an die Leine zu nehmen, sei Tierquälerei. Außerdem seien verwilderte Katzen weiter unterwegs. Seit langem kämpfe der örtliche Tierschutzverein für eine Katzenverordnung mit Kastrationsund Kennzeichnungspflicht, sagt Hitzler. Das sei abgetan worden. Dabei hätten kastrierte Katzen einen kleineren Aktionsradius und jagten auch weniger. Katzenkastration sei Tierschutz und dringend nötig, erst 34 Kommunen im Land hätten aber eine Katzenverordnung. „Wir helfen gerne, um das richtig anzupacken“, sagt Hitzler.