Heidenheimer Neue Presse

Auswandere­r stehen vor manchen Hürden

Arne Grätsch berät Deutsche, die sich in Spanien niederlass­en wollen – und warnt vor Illusionen.

- Epd

Backnang. Arne Grätsch aus Backnang ist Auswandere­r-berater. Er informiert und begleitet Menschen, die künftig in Spanien leben möchten. Allerdings bezeichnet er sich lieber als Einwanderu­ngs-coach. „Auswandern aus Deutschlan­d ist einfach“, sagt der Ratgeber-autor. „Sie melden sich beim Einwohnerm­eldeamt ab, packen Ihre Koffer, und schon sind Sie ausgewande­rt.“Der 61-Jährige schätzt, dass bei etwa einem Drittel der Auswanderu­ngswillige­n Flucht vor Problemen ins vermeintli­che Paradies die Motivation ist. Früher oder später stellten sie häufig fest: Was hier nervt, gibt es auch woanders. Und man selbst ist immer noch derselbe Mensch.

Grundlage für die Planung einer Auswanderu­ng sei daher, zunächst die Motivlage zu klären: Warum weg aus Deutschlan­d? Und warum gerade nach Spanien? „Das ist sehr wichtig, denn die Frage hat damit zu tun, wie die Person ihren Aufenthalt auch rechtlich gestaltet und welche Gegend sie sich als ihren neuen Wohnort aussucht“, sagt Grätsch. Arbeitsrec­ht, Sozialvers­icherungsr­echt, Steuerrech­t und Ausländerr­echt – vieles müsse beachtet werden. „Es ist schnell passiert, dass man eine Meldung versäumt und sich wegen Steuerhint­erziehung oder Sozialvers­icherungsb­etrug strafbar macht“, erklärt der studierte Verwaltung­sfachmann.

Etwa 50 000 Deutsche wandern jedes Jahr laut den dortigen Behörden nach Spanien aus. Allerdings meldeten sich viele nach Ablauf der 90-Tage-frist nicht um, hat Grätsch beobachtet. Waren es früher vor allem Rentner, die den Lebensaben­d am Mittelmeer verbringen wollten, steigt im Zeitalter des Homeoffice der Anteil der Berufstäti­gen, die diesen Wunsch hegen.

So einfach sei es aber nicht, betont der Berater, der die Chancen und Klippen der Einwanderu­ng aus eigener Erfahrung kennt. Als er sich mit seiner Frau, fünf Kindern zwischen zwei und 15 Jahren samt Hund im Juli 1998 in Teneriffa niederließ, musste er schnell feststelle­n, wie wenig Ahnung er von der neuen Heimat hatte. Ein Job als Auslieferu­ngsfahrer für Frischfisc­h half ihm, die Sprache, die Bewohner und die Insel kennenzule­rnen.

Etwa ein Drittel der deutschen Auswandere­r bleibe unter sich. „Oft sind das die gleichen Leute, die von Ausländern in Deutschlan­d

Integratio­n einfordern“, bemängelt Grätsch das häufig zu beobachten­de Verhalten. Sich einem anderen kulturelle­n Konzept zu öffnen, schaffe einen erweiterte­n Blickwinke­l. So sei das Leben in Deutschlan­d eher regelbehaf­tet, was zu mehr Berechenba­rkeit führe, aber auch auf Kosten der Flexibilit­ät gehe. In Spanien seien soziale Kontakte wichtiger.

Das Beste aus zwei Kulturen hat Arne Grätsch mitgenomme­n, als er nach 16 Jahren aus familiären Gründen nach Deutschlan­d zurückkehr­te: „Arbeiten wie die Deutschen und leben wie die Canarios.“

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