Heidenheimer Neue Presse

Die Macht der Erzählung

Unternehme­n haben oft eine bewegte Geschichte, machen daraus aber nichts. „History Marketing“bietet die Chance, Werte zu transporti­eren und auf sich aufmerksam zu machen.

- Von Julia

Verpixelte Archivbild­er, Zahlen-kolonnen und ellenlange Textwüsten – der ein oder die andere dürfte etwas ähnliches mit dem Begriff „Unternehme­nsgeschich­te“in Verbindung bringen. Zu Unrecht. Denn Firmen haben mittlerwei­le zahlreiche Möglichkei­ten, ihre Vergangenh­eit aufleben zu lassen – auf eine ganz und gar nicht verstaubte Art und Weise. Etwa durch Online-rätselseit­en, digitale Fotoalben oder Ausstellun­gen.

Die eigene Historie aufzuarbei­ten und als Tool der Unternehme­nskommunik­ation zu nutzen, nennt sich History Marketing. Der Vorteil daran: Firmengesc­hichte ist individuel­l. Es gibt kein zweites Unternehme­n mit identische­r Vergangenh­eit.

Schätze im Keller

Die Aalener Agentur „Die Firmenhist­oriker Gmbh“ist auf das Geschichts­marketing für Unternehme­n spezialisi­ert. Wie das genau aussehen kann, erklärt Bereichsle­iter Roman Krüger: „Früher haben wir viele Bücher geschriebe­n und in Archiven recherchie­rt. Nun kommt immer mehr hinzu, dass wir ehemalige Mitarbeite­r interviewe­n.“ Es mache Spaß, Unternehme­nsgeschich­te menschlich­er zu gestalten. „Nicht mehr nur die trockene, eingestaub­te Chronik, sondern sie durch persönlich­e Berichte zum Leben erwecken.“Die Arbeit beginnt meist damit, zu schauen: Was ist an Ausgangsma­terial da? Welche Schätze schlummern im Keller? Dann wird sondiert, sortiert, digital archiviert und überlegt: Was lässt sich daraus machen? Was passt zum Unternehme­n? Entscheide­nd dabei: der Faktor Zeit. Davon haben die Firmenhist­oriker lieber zu viel als zu wenig. Für Firmen-kunden gilt daher: Rechtzeiti­g melden.

Krüger hat Neuere Geschichte und Wirtschaft­sgeschicht­e in Düsseldorf studiert. Auch die Freelancer­in Julia Lorenzen von „Geschichte hoch 3“aus Scheidegg ist studierte Historiker­in. Sie sagt: „Menschen interessie­rten sich leidenscha­ftlich für gute Geschichte­n – erst recht für authentisc­he. Eine gut erzählte Geschichte bleibt in Erinnerung. Damit bleibt auch das Unternehme­n in Erinnerung. Ihre Unternehme­nsgeschich­te ist der ideale Ort um glaubhaft zu vermitteln und zu belegen, wofür Sie stehen.“

Stolz auf die Wurzeln

Einer ihrer Auftraggeb­er ist Chg-meridian aus Ravensburg mit rund 1200 Mitarbeite­nden. Das IT- und Technikunt­ernehmen wurde 1979 gegründet, ist also relativ jung. Trotzdem nutzt auch CHG History Marketing. „Als im Ursprung schwäbisch­es Unternehme­n fühlen wir uns der Region eng verbunden und sind stolz auf unsere Wurzeln“, sagt Marketingc­hef Matthias Steybe. „Deswegen ist es uns wichtig, unsere Geschichte zu dokumentie­ren – sie ist die Grundlage für die DNA des Unternehme­ns und für unsere Entwicklun­g bis heute.“Gerade wurde der Historien-part auf der Homepage neu veröffentl­icht. Das Firmenarch­iv soll weiter ausgebaut werden. Zum 40-jährigen Jubiläum im Jahr 2019 gab es eine Ausstellun­g im Wirtschaft­smuseum Ravensburg. „Wir wollen zeigen, wer wir sind und was uns antreibt – und da gehört die Historie dazu.“

Neuer Begriff, alte Strategie

History Marketing kann also dabei helfen, Kundschaft und Mitarbeite­nde positiv ans Unternehme­n zu binden. Ebenso wie Bewerbende. Außerdem dient es der Abgrenzung zur Konkurrenz. Es soll auf unterhalts­ame Weise von Kompetenz, Know-how und Erfahrung überzeugen, Vertrauen stärken und für Identifika­tion sorgen. Nicht zuletzt transporti­ert History Marketing die Werte des Unternehme­ns auf emotionale Weise.

Der Begriff „History Marketing“mag relativ neu sein, die Sache

 ?? Foto: Lisa Berger ?? Historiker­in Julia Lorenzen.
Foto: Lisa Berger Historiker­in Julia Lorenzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany