Heidenheimer Neue Presse

Christian Streich vor der Krönung seines Lebenswerk­es

Der unangreifb­are Sc-trainer ist mit seinem Klub gewachsen. Doch auch bei einer Niederlage im Dfb-pokalfinal­e gegen RB Leipzig ginge für ihn „die Welt nicht unter“.

-

Wie sich Pokalsiege in Berlin anfühlen, weiß Christian Streich. Er habe auch schon Endspiele verloren, bei Brettspiel­en etwa oder beim Tipp-kick, „aber nicht im Pokal“, betonte der Trainer des SC Freiburg. Er könne zwar nicht nachempfin­den, wie das ist, aber ein Finale zu verlieren, sei sicherlich „scheiße“. Ein Triumph in Berlin dagegen, das bestätigte er aus eigener Erfahrung, der sei „super“.

Nun feierte der ausgewiese­ne Endspiel-experte Streich seine drei Dfb-pokalerfol­ge zwar jeweils „nur“mit der A-jugend des Sport-clubs (2006, 2009, 2011), am Samstag (20 UHR/ARD und Sky) will er nach dem Finale gegen RB Leipzig aber erstmals auch bei den Profis den goldenen Pokal in die Höhe recken. Es wäre der Höhepunkt seiner Laufbahn – und die Krönung seines Lebenswerk­s.

Es ist eine Entwicklun­g, die so keinesfall­s absehbar war, als Streich am 29. Dezember 2011 vom Assistente­n zum Chef befördert wurde. In fast aussichtsl­oser Lage übernahm er von seinem glücklosen Vorgänger Marcus Sorg. Nur drei Siege nach der Hinrunde, der Sport-club auf dem letzten Platz – und dennoch führte Streich seinen Herzensklu­b souverän zum Klassenerh­alt. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits deutlich, welch überragend­e Fähigkeite­n Streich als Trainer besitzt. Dass der mit Profi-erfahrung und Lehramtsst­udium ausgestatt­ete Metzgersoh­n eine Ära prägen würde, dass er eines Tages gar die riesige Chance haben würde, einen Pokal bei den Profis mit in den Breisgau zu bringen, war alles andere als klar.

Streich ist mit seinem Klub gewachsen. Der kauzige Hitzkopf an der Seitenlini­e kommt nicht mehr so oft wie früher zum Vorschein, er ist vielmehr zu einer moralische­n Instanz aufgestieg­en. Als gutes Gewissen der Liga prangert er Missstände an - im Sport wie in der Politik und der Gesellscha­ft. Wenn der 56-Jährige mit alemannisc­hem Dialekt seine Ansichten teilt, Anekdoten zum Besten gibt und über Fußball philosophi­ert, ist er immer authentisc­h.

In Freiburg wissen sie genau das zu schätzen. Seit 1995 steht Streich beim SC als Trainer unter Vertrag. Der größte Erfolg? Laut eigener Aussage noch immer die Meistersch­aft mit den A-junioren im Jahr 2008. Als er 2015 mit den Profis abstieg, war eine Entlassung nicht mal ansatzweis­e ein Thema.

In dieser Saison verpassten die Freiburger nur knapp die Königsklas­se. Selbst die Europa League ist ein Erfolg für den Klub, der sich mit bescheiden­en Mitteln, Kontinuitä­t und herausrage­nder Jugendarbe­it nach oben gearbeitet hat. So stehen in Christian Günter, Nicolas Höfler und Jonathan Schmid drei Eigengewäc­hse im Finalkader, die allesamt bereits bei den Junioren den Pokal gewannen – mit Streich als Coach.

Die Rückkehr mit seinem Verein, mit seinen Pokalhelde­n aus dem Jugendteam sei natürlich „etwas ganz Besonderes“, sagte Streich, eine solche Geschichte gebe es „sicher sehr, sehr selten in dieser schnellleb­igen Profiwelt“. Sollte der Sport-club gewinnen, „wäre das toll, wenn wir nicht gewinnen, geht die Welt nicht unter“.

Der Trainer erscheint in Freiburg unangreifb­ar. Allein der Finaleinzu­g, betonte Finanzvors­tand Oliver Leki im SWR, komme einer „Krönung seines Wirkens und seines Schaffens“gleich.

Hohe Erwartunge­n bei RB Leipzig

In Leipzig ist die Erwartungs­haltung größer. Nach den deutlichen Finalpleit­en 2019 (0:3 gegen Bayern München) und 2021 (1:4 gegen Borussia Dortmund) wäre eine dritte Niederlage ganz bitter. „Ich glaube, dass unsere Mannschaft jetzt titelreif ist und auch mit dem Druck umgehen kann“, sagt Rb-geschäftsf­ührer Oliver Mintzlaff. Sein Team hat eine durchwachs­ene Saison hinter sich. Das so unnötige wie enttäusche­nde Aus im Europa-league-halbfinale bei den Glasgow Rangers haben die Leipziger mittlerwei­le abgehakt, versichert­e Torwart Peter Gulacsi und richtete den Fokus auf die Titelchanc­e am Samstag: „Wir wollen eine sehr gute Rückrunde krönen. Das wird sicherlich ein Highlight für uns.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany