Engpässe an Tankstellen drohen
Benzin und Diesel werden von Juni an deutlich günstiger, weil die Steuern gesenkt werden. Die Branche erwartet einen Ansturm, die Vorräte werden oft nicht reichen.
Mit dem letzten Tropfen Benzin am Morgen des 1. Juni an die Tankstelle zu fahren, ist keine gute Idee. Angesichts der deutlichen Steuersenkungen auf Benzin und Diesel erwarten die Verbände an diesem Tag einen Ansturm auf die Zapfsäulen. Mit Wartezeiten rechnet der ADAC deshalb, laut Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG), könnten einige Autofahrer leer ausgehen. Denn viele Tankstellen werden ihre Tanks erst kurzfristig auffüllen.
„Ab dem 1. Juni werden viele Autofahrer mit leeren Fahrzeugtanks auf viele Tankstellen mit leeren Vorratstanks treffen“, warnt Ziegner. Doch warum füllen die Betreiber ihre Tanks nicht vorher auf ? „Für die Ware, die vor dem 1. Juni beschafft wird, muss noch der normale Energiesteuersatz bezahlt werden“, erklärt der Ztg-experte. Denn die Energiesteuer wird nicht erst an der Zapfsäule erhoben, sondern schon in den Raffinerien oder Tanklagern. Wird die Ware dann zum ermäßigten Satz an die Verbraucher verkauft, entsteht für die Betreiber ein Verlustgeschäft.
„Die Tankstellen haben dann nur wenige Möglichkeiten: Sie können die Vorräte mit Verlust verkaufen oder die Preise hoch halten“, sagt Ziegner. Im Wettbewerb verlören sie dann gegen die Tankstellen, die ihre Tanks vorher leer gemacht hätten, die am 1. Juni um 2 Uhr morgens ihre Tankwagen an der Raffiniere oder dem Steuerlager befüllen lassen und sich dann frühmorgens die Tanks füllen. Das könnten aber nicht alle so machen. „Weil man nicht wissen kann, wer das macht, werden im Zweifel Mineralölkonzerne und freie Tankstellen ihre Bestände herunterfahren“, schätzt Ziegner. „Die deutlich höhere Nachfrage trifft also auf einen gesunkenen Bestand.“Für letzteres sei die Mineralölindustrie zuständig, sagt Adac-sprecher Alexander Schnaars. „Sie muss dafür sorgen, dass genug Sprit verfügbar ist.“
Auch er geht davon aus, dass viele Autofahrer nicht mehr im Mai tanken, sondern im Juni von den Steuersenkungen profitieren wollen. Mit den Preissenkungen könnte Superbenzin wieder auf das Preisniveau vor Ausbruch des Ukraine-krieges fallen. Am Tag vor dem russischen Angriff hatte Superbenzin E10 im bundesweiten Durchschnitt noch 1,75 Euro pro Liter gekostet. Nun liegt es bei rund 2,10 Euro. Bei Diesel allerdings sind die Vorkriegswerte nicht zu erreichen. Die Steuersenkung ist aus rechtlichen Gründen deutlich niedriger.
Schnaars rechnet mit längeren Wartezeiten Anfang Juni. „Vor allem zu den Stoßzeiten wie nachmittags und abends muss man Zeitverlust einkalkulieren.“Einen wirklichen Engpass erwartet Schnaars nicht: „Die Verbrauch steigt nicht, die Menschen tanken ja nicht längerfristig mehr, nur weil der Sprit günstiger ist.“
Doch wird die Steuersenkung wirklich komplett an die Verbraucher weitergegeben? „Wir hoffen es“, sagt Schnaars. Sowohl der ADAC als auch die Verbraucherzentralen haben angekündigt, das genau zu beobachten. Ob Tankstellenbetreiber in den eineinhalb Wochen vor der Preissenkung nun noch die Preise anheben, sei schwer einzuschätzen: „Es kann sein, aber ich würde mich da nicht darauf festlegen. Die Preise bewegen sich gerade eh auf viel zu hohem Niveau.“
Trotzdem kann es sein, dass es sinnvoll ist, noch im Mai zu tanken. Ziegner beispielsweise empfiehlt: „Wer zwei Wochen braucht, um seinen Tank leerzufahren, der sollte einfach in der Woche vor dem 1. Juni noch tanken.“Er geht davon aus, dass sich die Situation nach einer Woche bis zehn Tagen wieder normalisiert. Schnaars rät zu Voraussicht. „Wenn man nicht zwingend am 1. Juni tanken muss, wäre es besser, erst ein paar Tage später zur Zapfsäule zu fahren“, sagt er. Bis dahin gebe es viele Möglichkeiten, Sprit zu sparen. Da spielten Geschwindigkeit, Gewicht des Fahrzeugs und Fahrstil eine Rolle. „Wenn alle mit Augenmaß handeln, wird die Lage an den Tankstellen entspannter.“