Heidenheimer Neue Presse

Eine Frage der Glaubwürdi­gkeit

- Peter Dethier

Lange Zeit hatte sie sich hartnäckig in Schweigen gehüllt. Als dann klar wurde, dass Nancy Pelosi während ihrer Asienreise als erster „Speaker of the House“seit 1997 doch einen Abstecher nach Taipeh machen wird, herrschte in Washington heillose Verwirrung.

Eindringli­ch hatte die Regierung von Us-präsident Joe Biden sie aufgeforde­rt, die Zwischenla­ndung abzublasen. Die Folgen für die angeschlag­enen Beziehunge­n zu China und die nationale Sicherheit könnten verheerend sein, warnten sie. Die mächtige Demokratin ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Für Pelosi, die unter immensem Druck steht, geht es nämlich auch um politische Glaubwürdi­gkeit.

Während ihrer 35 Jahre im Repräsenta­ntenhaus hat sich die Demokratin unermüdlic­h für Menschenre­chte eingesetzt und immer wieder scharfe Kritik an den Verstößen in China geübt: an der Unterdrück­ung der Uiguren in der Xinjiang-provinz, an der Inhaftieru­ng von Regimegegn­ern oder am Umgang mit freien Medien.

Sie wollte jetzt ein klares Signal an die Regierung in Taiwan senden, dass man Werte wie Demokratie und Freiheit teile und dass die USA der Inselrepub­lik auch im Fall eines militärisc­hen Angriffs durch China zur Seite stehen werden.

So gesehen kam ein Verzicht auf den Zwischenst­opp in Taiwan schon deswegen nicht infrage,

Joe Bidens Job wird dadurch schwerer.

weil Pelosi damit die Bereitscha­ft signalisie­rt hätte, dem Druck seitens eines autoritäre­n Regimes nachzugebe­n.

Während Pelosi mit dem Aufenthalt in Taiwan selbst das Gesicht wahren konnte, ist sie unterdesse­n ihrem wichtigste­n Parteikoll­egen, dem Präsidente­n, in den Rücken gefallen. Joe Bidens Job ist jetzt deutlich schwerer geworden. Die seit Jahrzehnte­n geltende „One China“-policy, wonach die USA informelle­n Beziehunge­n zu Taiwan pflegen und die von Peking in Anspruch genommene „volle Souveränit­ät“über den Inselstaat dulden, aber nicht anerkennen, gerät ins Wanken. Die Beziehunge­n könnten auf einem neuen Tiefpunkt angelangt sein, und die Folgen sind schwer abzusehen.

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Joe Biden (l.) und Nancy Pelosi im Gespräch.

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