Sexualstraftäter auf dem Schirm
Das Land schaut vergleichsweise scharf auf diesen Personenkreis. Eine Zentralstelle bündelt alle Informationen.
Stuttgart. Entlassene Sexualstraftäter, die etwa über das Internet versuchen, an Mädchen und junge Frauen ranzukommen – eine Realität in leider immer wiederkehrenden Fällen, wie auch die Polizei in Baden-württemberg weiß. Ein 29-jähriger aus Hessen steht unter dem Verdacht, die 14-jährige Ayleen aus Gottenheim bei Freiburg ermordet zu haben. Noch vor kurzem war er auf dem Schirm einer speziellen Einrichtung der hessischen Polizei für entlassene Sexualstraftäter.
Baden-württemberg schaut vergleichbar scharf auf diesen Personenkreis: 2010 hatte die Landesregierung Handlungsbedarf gesehen, was den Umgang mit entlassenen und rückfallgefährdeten Sexualstraftätern angeht. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz und weiteren Einrichtungen sollte intensiviert werden. Seither gibt es im Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart das Programm „Kurs“(„Konzept zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“).
Bei einer dort eingerichteten Zentralstelle laufen alle Informationen über entlassene Sextäter zusammen: von Gefängnissen, Gerichten, Bewährungshilfe und Polizeidienststellen. Alleine bei der Polizei sind rund 100 Beamte als Koordinatoren nebenamtlich für diese Aufgabe tätig.
Derzeit ist eine mittlere dreistellige Zahl an Personen im „Kurs“-programm eingestuft, so ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart gegenüber unserer Redaktion, die genaue Zahl werde nicht öffentlich genannt. Die rückfallgefährdeten Täter sind demnach in drei Risikokategorien eingeteilt: „herausragendes“, „hohes“und „mittleres Gefahrenpotenzial“. Die Mitarbeiter der Zentralstelle gehen auf Polizeidienststellen zu und koordinieren Maßnahmen, die etwa scharfe Meldeauflagen sein können, aber auch immer wieder bis hin zur Überwachung reichen.
Aber: Es gibt nur im absoluten Ausnahmefall eine lückenlose Überwachung rund um die Uhr der entsprechend eingeschätzten Haftentlassenen. „Die rechtlichen Hürden sind dafür hoch,“so der Sprecher des Ministeriums. Der Personalaufwand ist zudem erheblich.
Arbeit im Vorfeld entscheidend
Als entscheidend gilt die Arbeit im Vorfeld: Spätestens sechs Monate vor der Entlassung einer Person aus der Haft oder aus dem Maßregelvollzug in psychiatrischen Einrichtungen übermitteln die Gefängnisse den Vollstreckungsabteilungen der Staatsanwaltschaften eine Einschätzung. Diese geht auch an die Führungsaufsichtsstelle sowie die Gemeinsame Zentralstelle beim LKA. Sollte eine Person als Risiko eingeschätzt werden, unterrichtet die Zentralstelle die für den mutmaßlichen künftigen Wohnort zuständige Polizeidienststelle.
Wie lange der Überwachungszeitraum dauert, ist nicht exakt festgelegt. Die Gerichte, in der Regel die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, entscheiden darüber, wie lange ein einmal eingestufter „Risikoproband“, so der Fachjargon, im Programm verbleibt. Eine solche Überprüfung muss spätestens nach Ablauf eines Jahres stattfinden. Auch aus den Nachbarbundesländern zugezogene entlassene Sexualstraftäter werden überprüft, ob sie unter Beobachtung durch „Kurs“kommen. Theoretisch hat diese Überwachung oder Aufsicht keine Höchstdauer. Klar ist aber auch, dass je länger ein entlassener Straftäter, ohne auffällig zu werden, in Freiheit ist, desto höher werden auch die Anforderungen an eine Gefahrenprognose.