Kindergeld steht mehr Eltern zu
Bestimmte Gruppen von Ausländern waren zu Unrecht vom Bezug ausgeschlossen.
Freiburg. Das Bundesverfassungsgericht hat den jahrelangen Ausschluss mancher Ausländer vom Kindergeld für verfassungswidrig erklärt. Nachzahlungen erhalten aber nur die wenigen Familien, die dagegen geklagt hatten.
Bis 1990 bekamen Deutsche und Ausländer gleichermaßen Kindergeld. Seitdem gelten wechselnde Einschränkungen für ausländische Eltern. Im konkreten Fall ging es um eine Regelung, die von 2006 bis 2020 galt. Sie schloss Nicht-eu-ausländer vom Kindergeldbezug aus, wenn sie bestimmte humanitäre Aufenthaltstitel hatten – und dabei weniger als drei Jahre legal in Deutschland lebten oder nicht in den Arbeitsmarkt integriert waren. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte waren von der Einschränkung nicht betroffen.
Gegen die Regelung klagten eine Russin, eine Vietnamesin, ein Palästinenser und eine Iranerin, die für ihre Kinder zumindest zeitweise kein Kindergeld erhielten, weil sie weder arbeiteten noch ALG 1 bezogen. Das Finanzgericht Niedersachsen hielt die Ausschluss-regel für verfassungswidrig und legte die Fälle bereits 2014 in Karlsruhe vor. Die Vorlage hatte nun Erfolg. Auch das Bundesverfassungsgericht sah in der Ausschluss-regel eine ungerechtfertigte Benachteiligung von ALG 2-beziehenden Ausländern. Die Annahme, dass diese tendenziell nicht auf Dauer in Deutschland bleiben werden, sei nicht haltbar. In den vier Fällen schloss sich an den Hartz Iv-bezug oft schnell wieder eine Voll-erwerbstätigkeit an.
Die Bundesregierung hatte argumentiert, es gehöre zu den Zielen der deutschen Sozialpolitik „Einwanderung in die Systeme der sozialen Sicherung“zu verhindern. Karlsruhe ließ aber offen, ob dies eine zulässige Rechtfertigung wäre. Denn in der konkreten Gesetzgebung habe das Argument keine Rolle gespielt. (Az.: 2 BVL 9/14 u.a.)
Die Karlsruher Entscheidung kommt nicht völlig überraschend, denn 2012 hatte das Gericht bereits den Ausschluss einer ähnlichen Gruppe von Ausländern beim Elterngeld gerügt.
Der Bundestag ahnte, dass er beim Kindergeld in Karlsruhe verlieren würde. Die nun beanstandete Kindergeldregelung ist seit 2020 nicht mehr in Kraft. Nun wird für Menschen mit bestimmten humanitären Aufenthaltstiteln nur noch ein 15-monatiger legaler Aufenthalt gefordert. Auf die Integration in den Arbeitsmarkt kommt es nicht mehr an.
Auch der Europäische Gerichtshof hatte am Montag das deutsche Kindergeldrecht beanstandet. Es verstoße gegen Eurecht, dass Eltern aus anderen Eu-staaten in den ersten drei Monaten festen Aufenthalts in Deutschland nur Kindergeld erhalten, wenn sie ein festes Einkommen haben.