Wettlauf um Wasserstoff-milliarden
Das Automobil-land Baden-württemberg will bei der Wasserstofftechnologie ganz vorne mitspielen. Kann das gelingen? Das Potenzial für die Südwest-industrie ist jedenfalls groß.
Ein Elektroauto und ein Wasserstoff-hybrid-fahrzeug parken einträchtig vor der Firmenzentrale. In den Produktionshallen der EKPO Fuel Cell Technologie Gmbh in Dettingen an der Erms (Kreis Reutlingen) erklärt der Geschäftsführer des 2020 gegründeten deutsch-französischen Jointventures, Gernot Stellberger, dass man im Jahr 2025 bereits rund 10 000 Brennstoffzellen-module fertigen wolle. „Wir sehen Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht erst als Technologien für 2040 oder 2035“, sagt Stellberger in Anspielung auf die wechselnden Daten für ein europaweites Aus des Verbrennungsmotors.
2023 starte man in Frankreich das erste Bus-serien-projekt, mit Airbus arbeite man daran, mittelfristig mit Wasserstoff und Brennstoffzelle zu fliegen. 180 Mitarbeiter hat EKPO, bis Jahresende sollen es über 200 am Standort auf der Schwäbischen Alb werden. „Wir kriegen gute Leute auch nach Dettingen“, sagt Stellberger, „das Thema Wasserstoff zieht“.
Mehrheitsgesellschafter von EKPO ist der Automobilzulieferer Elring Klinger, dessen Vorstandschef Stefan Wolf früher als andere in der Branche die Ära nach dem Verbrennungsmotor antizipiert hat. Das Unternehmen, 10 000 Mitarbeiter, 1,6 Milliarden Euro Umsatz, beliefere praktisch jeden Fahrzeughersteller, sagt Wolf, der auch Präsident von Gesamtmetall ist, dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie. Lange war Ford größter Kunde von Elring Klinger, 2023 wird erstmals der E-auto-pionier Tesla der wichtigste Geschäftspartner sein. „Wir sind durch die Transformation eigentlich schon durch“, sagt Wolf. „Wir sind nicht mehr im Entwicklungsstadium, wir sind serienreif.“
Wo Elring Klinger ist, wollen andere Unternehmen im Autound Maschinenbauer-land noch hin. Baden-württemberg hängt wie kein anderes Land von diesen Branchen ab und muss sich daher besonders intensiv mit der Transformation beschäftigen.
Gigantischer Markt
In Stuttgart drückt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeis- ter-kraut (CDU) gemeinsam mit Frithjof Staiß und Marc-simon Löffler am Zentrum für Sonnenenergieund Wasserstoff-forschung (ZSW) auf einen großen grünen Knopf. Es ist ein dankbares Motiv für die Fotografen – und der offizielle Startschuss für den „Elektrolyseur“, eine Elektrolyse-anlage „made in Baden-württemberg“. Man stehe nun an der Schwelle von der staatlichen Förderung zur Kommerzialisierung, sagt ZSW-CHEF Staiß. „Der Markt zur Gewinnung von grünem Wasserstoff wird gigantisch sein“, schwärmt Zsw-projektleiter Löffler. „Das Feld ist noch nicht bestellt.“Das Potenzial für die Südwest-industrie sei enorm.
In die vom industrienahen ZSW entwickelte Demonstrations-anlage haben 40 Firmen aus dem Land Komponenten, Technologien und Know-how eingebracht. Die alkalische Druckelektrolyse-technologie hat eine elektrische Anschlussleistung von einem Megawatt und eine Produktionskapazität von 20 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde. Das, erklärt Löffler, reiche für die Betankung von täglich 80 Brennstoffzellen-pkw, 20 Brennstoffzellen-bussen oder -Lkw. 10 Millionen Euro, schätzt Staiß, habe die Entwicklung gekostet, die Hälfte hat das Land beigesteuert. „Für unsere starken Anlagenbauer und Komponenten-hersteller im Land können die Wasser-elektrolyse zur Gewinnung von Wasserstoff und die Brennstoffzellen-technologie zur Nutzung von Wasserstoff ganz neue Betätigungsfelder eröffnen“, sagt Wirtschaftsministerin Hoffmeister-kraut.
Die Internationale Energieagentur schätzt, dass die globalen Investitionen in die Wasserstoff-wirtschaft bis zum Jahr 2030 auf gut 1,2 Billionen Euro steigen
Global sind Investitionen in Billionenhöhe nötig.
müssen, um das Eu-ziel einzuhalten, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Für die baden-württembergischen Unternehmen hält Zsw-experte Löffler daher bis 2050 Umsätze von acht Milliarden Euro pro Jahr und knapp 40 000 Arbeitsplätze in dem Wachstumsmarkt für realistisch.
Noch vor zehn Jahren sei rund die Hälfte des Umsatzes seiner Firma von Zulieferungen von Komponenten für Fahrzeuge mit dem klassischen Verbrennungsmotor abhängig gewesen, sagt Reinhold Groß, Geschäftsführer des Familienunternehmens Heller in Nürtingen (Kreis Esslingen). Inzwischen hat der Mittelständler, der 2600 Mitarbeiter beschäftigt und für 2022 einen Umsatz
von mehr als 500 Millionen Euro anstrebt, die Quote auf 26 Prozent gedrückt. Ein Zukunftsfeld sieht Heller in der Kommerzialisierung der Elektrolyse-anlage des ZSW. Ausgerechnet ein Verfahren, das ursprünglich für die Beschichtung von Zylinderbohrungen von Pkw-verbrennungsmotoren entwickelt wurde, soll nun für die Elektrodenbeschichtungen zum Einsatz kommen, freut sich Groß. Das Verfahren soll die heute üblichen Beschichtungskosten in der Elektrolyse um den Faktor fünf reduzieren.
Es ist ein Schritt von vielen, der die Zsw-anlage marktfähig machen soll. An der Optimierung der Hauptkomponente, dem bis zu drei Tonnen schweren Stack, tüftelt der Ravensburger Anlagenbauer EBZ, der zuletzt mit 1700 Beschäftigten einen Umsatz von 300 Millionen Euro erwirtschaftete. Bis 2024 sei die Herstellung erster marktreifer Serien-stacks
geplant, sagt Technikvorstand Alexander Schmeh. Acht Hauptprodukte hat EBZ im Portfolio, das Herzstück für den Elektrolyseur soll das neunte werden. Er glaube, so Schmeh, dass man damit auch in Europa Geschäfte machen könne. „Aber wir haben natürlich den Weltmarkt im Blick.“Mit Siemens und Thyssen-krupp hat das baden-württembergische Gemeinschaftswerk potente Wettbewerber im Inland, Staaten wie China investieren massiv in die Wasserstoff-wirtschaft. „Da ist ein globales Wettrennen am Start“, sagt Schmeh.
Chancen ausloten
Die Chancen für das Produkt „made in Baden-württemberg“lotet die Firma Ecoclean aus Filderstadt (Kreis Esslingen) gerade aus. „Das ist wie bei Ebay: Wir bringen Angebot und Nachfrage zusammen“, sagt Vertriebsleiter Manfred Hermanns. Ecoclean, 800 Mitarbeiter, 200 Millionen Euro Jahresumsatz, hat lange als Feinstreiniger von Komponenten für das Verbrenner-auto gutes Geld verdient. Nun sucht der Mittelständler neue Projekte, die Volumen versprechen – und setzt dabei auch auf den Elektrolyseur.
Der Transfer der Zsw-technologie in ein serientaugliches Industrieprodukt inklusive der Zuarbeiten von Heller und EBZ soll in wenigen Jahren in der Fertigung von rund 80 Anlagen pro Jahr münden. Bis dahin sollen die Kosten je Anlage auf rund 800 000 Euro halbiert werden. Das Interesse ist groß, für Hermanns ist es aber noch schwer auszumachen, wer Kunde und wer Investor ist. „Der Markt entsteht gerade erst.“