Hungernde leiden still
Den Kampf gegen den Hunger führt die Menschheit, seitdem sie existiert. Das Ergebnis ist nach einigen Jahrtausenden ernüchternd. Mehr als jeder zehnte Bewohner unseres Planeten leidet unter chronischem Hunger. Das sind mehr als 820 Millionen Menschen. Mit chronischem Hunger ist gemeint, dass die Betroffenen dauerhaft, manchmal das gesamte verkürzte Leben lang, weniger Nahrung zu sich nehmen, als sie brauchen. Die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern ist besonders betroffen. Diese Hungernden leiden still. Die satte Welt interessiert sich nicht für sie.
In Somalia erleben derzeit Millionen den sogenannten akuten Hunger. Vor allem wegen einer seit vier Jahren anhaltenden Dürre. Die Bilder von zu Skeletten Abgemagerten erregen kurzzeitig Aufmerksamkeit. Die Hungernden im Jemen sind derweil schon wieder vergessen. Wichtiger scheint die Frage der ukrainischen Getreidelieferungen zu sein. Das Auslaufen eines ersten Schiffes mit Weizen an Bord erfuhr eine Aufmerksamkeit, als ob damit das globale Ziel, den Hunger auf der Welt bis 2030 auf null zu reduzieren, erreicht würde. Wird es aber nicht. Und das war vor dem Krieg in der Ukraine klar. Putin spielt zynisch mit dem Hunger, geschaffen hat er ihn nicht. Viele andere Kriege haben die Nahrungssicherheit zerstört und zerstören sie weiter.
Monopolisten beherrschen zudem die Märkte für Saatgut und Getreidehandel. Sie diktieren die Preise. Unfähige, korrupte Regierungen kümmern sich in vielen Ländern um den eigenen Reichtum, um Waffen, Paläste, Auslandskonten. Die Nahrungsmittelproduktion für die Bevölkerung, die so dringend Essen brauchen, lassen sie verkommen.
Und schließlich sind es wir hier im Westen, die in ihren Supermärkten Nahrungsberge präsentieren, denen man nicht ansieht, dass sie zum Hunger der Ärmsten beitragen. Wir essen billiges Fleisch und denken nicht an die Sojabohnen, die hierzulande an das Vieh verfüttert werden, für deren Anbau aber der Regenwald in Brasilien abgeholzt wird. Die dem Klimawandel geschuldeten Folgen treffen vor allem Menschen in Afrika, Asien oder Lateinamerika, die ohne Maschinen
kaum Saatgut in die vertrockneten Böden bringen können, oder denen die Ernten durch Überschwemmungen verlorengehen. Und den Planeten haben wir künstlich aufgeheizt, nicht Somalier oder Jemeniten.
Doch nicht nur, dass die Industrieländer sich nicht ernsthaft um die Beseitigung der Strukturen, die zum Hunger führen, kümmern. Sie schaffen es nicht einmal, das nötige Geld für die aktuelle Krisenbekämpfung aufzubringen. Beim jüngsten G7-gipfel wurden der „Globalen Allianz für Ernährungssicherheit“viereinhalb Milliarden Us-dollar zugesagt. Immerhin. Aber das ist weniger als ein Zehntel des deutschen Verteidigungsetats. Offensichtlich stimmen hier weder die Verhältnisse noch die Prioritäten. Es fehlt schlicht am Willen. Und an Interesse für das Thema. Die Globalisierung ist out und die globalen Probleme sind es gleich mit? Ein Doppelfehler.
Die Globalisierung ist out und die globalen Probleme sind es gleich mit? Ein Doppelfehler.