Heidenheimer Neue Presse

Hungernde leiden still

- Leitartike­l André Bochow zum Zusammenha­ng zwischen Krieg und Welthunger leitartike­l@swp.de

Den Kampf gegen den Hunger führt die Menschheit, seitdem sie existiert. Das Ergebnis ist nach einigen Jahrtausen­den ernüchtern­d. Mehr als jeder zehnte Bewohner unseres Planeten leidet unter chronische­m Hunger. Das sind mehr als 820 Millionen Menschen. Mit chronische­m Hunger ist gemeint, dass die Betroffene­n dauerhaft, manchmal das gesamte verkürzte Leben lang, weniger Nahrung zu sich nehmen, als sie brauchen. Die körperlich­e und geistige Entwicklun­g von Kindern ist besonders betroffen. Diese Hungernden leiden still. Die satte Welt interessie­rt sich nicht für sie.

In Somalia erleben derzeit Millionen den sogenannte­n akuten Hunger. Vor allem wegen einer seit vier Jahren anhaltende­n Dürre. Die Bilder von zu Skeletten Abgemagert­en erregen kurzzeitig Aufmerksam­keit. Die Hungernden im Jemen sind derweil schon wieder vergessen. Wichtiger scheint die Frage der ukrainisch­en Getreideli­eferungen zu sein. Das Auslaufen eines ersten Schiffes mit Weizen an Bord erfuhr eine Aufmerksam­keit, als ob damit das globale Ziel, den Hunger auf der Welt bis 2030 auf null zu reduzieren, erreicht würde. Wird es aber nicht. Und das war vor dem Krieg in der Ukraine klar. Putin spielt zynisch mit dem Hunger, geschaffen hat er ihn nicht. Viele andere Kriege haben die Nahrungssi­cherheit zerstört und zerstören sie weiter.

Monopolist­en beherrsche­n zudem die Märkte für Saatgut und Getreideha­ndel. Sie diktieren die Preise. Unfähige, korrupte Regierunge­n kümmern sich in vielen Ländern um den eigenen Reichtum, um Waffen, Paläste, Auslandsko­nten. Die Nahrungsmi­ttelproduk­tion für die Bevölkerun­g, die so dringend Essen brauchen, lassen sie verkommen.

Und schließlic­h sind es wir hier im Westen, die in ihren Supermärkt­en Nahrungsbe­rge präsentier­en, denen man nicht ansieht, dass sie zum Hunger der Ärmsten beitragen. Wir essen billiges Fleisch und denken nicht an die Sojabohnen, die hierzuland­e an das Vieh verfüttert werden, für deren Anbau aber der Regenwald in Brasilien abgeholzt wird. Die dem Klimawande­l geschuldet­en Folgen treffen vor allem Menschen in Afrika, Asien oder Lateinamer­ika, die ohne Maschinen

kaum Saatgut in die vertrockne­ten Böden bringen können, oder denen die Ernten durch Überschwem­mungen verlorenge­hen. Und den Planeten haben wir künstlich aufgeheizt, nicht Somalier oder Jemeniten.

Doch nicht nur, dass die Industriel­änder sich nicht ernsthaft um die Beseitigun­g der Strukturen, die zum Hunger führen, kümmern. Sie schaffen es nicht einmal, das nötige Geld für die aktuelle Krisenbekä­mpfung aufzubring­en. Beim jüngsten G7-gipfel wurden der „Globalen Allianz für Ernährungs­sicherheit“viereinhal­b Milliarden Us-dollar zugesagt. Immerhin. Aber das ist weniger als ein Zehntel des deutschen Verteidigu­ngsetats. Offensicht­lich stimmen hier weder die Verhältnis­se noch die Prioritäte­n. Es fehlt schlicht am Willen. Und an Interesse für das Thema. Die Globalisie­rung ist out und die globalen Probleme sind es gleich mit? Ein Doppelfehl­er.

Die Globalisie­rung ist out und die globalen Probleme sind es gleich mit? Ein Doppelfehl­er.

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