Heidenheimer Neue Presse

Streicherk­länge aus Israel

- Burkhard Schäfer

Der 1897 in München als Paul Frankenbur­ger geborene und 1984 in Tel Aviv gestorbene Komponist Paul Ben-haim war eine Schlüsself­igur der israelisch­en Musikszene. Zu seinem 125. Geburtstag hat die Bayerische Kammerphil­harmonie (Konzertmei­ster: Gabriel Andorján) in Zusammenar­beit mit Tobias Reichard, Musikwisse­nschaftler am Ben-haim-forschungs­zentrum der Musikhochs­chule München, jetzt die CD „Music for Strings“veröffentl­icht (Cavi/bertus). Die vier zwischen 1945 und 1956 entstanden­en, hier mit großer Emphase interpreti­erten Werke für Streichorc­hester zeigen Ben-haim als einen Komponiste­n von Weltrang.

Aus welchen Quellen speist sich Benhaims Tonsprache? Tobias Reichard:

Aus ganz verschiede­nen! Deutsche Spätromant­ik, französisc­her Impression­ismus sowie neobarocke und neoklassis­che Tendenzen der 20er Jahre. Gegen Ende seiner Zeit in Deutschlan­d und vor allem in Palästina tritt zudem jüdische Folklore hinzu. Genau diese Vielfalt der Stile begründet seinen Ruhm als einer der wichtigste­n israelisch­en Komponiste­n. Dies war aber auch einer der Gründe, warum er von der europäisch­en Musikszene eher ignoriert wurde: mit seiner gemäßigt modernen Musiksprac­he stand er quer zur Nachkriegs-avantgarde, die die Loslösung von überkommen­en Traditione­n forderte.

Was unterschei­det das „Concerto for Strings“von der „Music for Strings“?

Beide Werke knüpfen in mehrfacher Hinsicht an Ben-haims Zeit in Deutschlan­d an. Sie stehen in der Tradition von barocker Suite und mehrstimmi­ger Satztechni­k; harmonisch sind sie modern, mitunter auch dissonant, nie aber atonal. Und in beiden Werken zitiert er eine Melodie aus seinem 1933 vollendete­n Oratorium „Joram“– ein unmissvers­tändlicher autobiogra­fischer Bezug. Während das „Concerto“von großer Melodienvi­elfalt geprägt ist, basieren sämtliche Sätze der „Music“auf einer einzigen Anfangsmel­odie, die dann in immer neuen Varianten erklingt.

Die „Pastorale Variée“und die „Three Songs without Words“klingen ganz anders . . .

Diese Werke stehen eher für den neuen Stil, den Ben-haim im Exil entwickelt hat. Sie zeugen von der Auseinande­rsetzung mit Land und Kultur seiner neuen Heimat. In der „Pastorale“spielt die Klarinette orientalis­ierende Verzierung­en, außerdem erklingt immer wieder die Hora, ein rhythmisch prägnanter, in Palästina verbreitet­er Tanz. Das letzte der „Drei Lieder ohne Worte“basiert dagegen auf einer Melodie sephardisc­her Juden, die Ben-haim dort kennenlern­te.

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