Heidenheimer Neue Presse

13 Millionen Menschen in Deutschlan­d armutsgefä­hrdet

Regelmäßig werden Daten zur Armut in Deutschlan­d veröffentl­icht. Jetzt hat das Statistisc­he Bundesamt welche für 2021 vorgelegt. Was die neuen Zahlen aussagen – und was nicht.

- Michael Gabel

Berlin. Wer ist arm, wer ist armutsgefä­hrdet, und welche Kriterien liegen den Berechnung­en zugrunde? Das Statistisc­he Bundesamt hat am Donnerstag Zahlen vorgelegt, nach denen in Deutschlan­d 13 Millionen Menschen – 15,8 Prozent der Bevölkerun­g – im vergangene­n Jahr als armutsgefä­hrdet galten. Die neueren Entwicklun­gen mit zum Teil dramatisch gestiegene­n Energieund Lebensmitt­elpreisen sind in diesen Angaben noch nicht enthalten.

Die Zahl liegt damit leicht niedriger als im Jahr zuvor, als 200 000 Menschen mehr den Kriterien zur Armutsgefä­hrdung entsprache­n. Frauen sind demnach etwas mehr (16,5 Prozent) von Armut bedroht als Männer (15,1 Prozent).

Am größten ist die Gefährdung bei Arbeitslos­en (47 Prozent), Alleinlebe­nden (26,8 Prozent) und Alleinerzi­ehenden (26,6 Prozent).

Laut Eu-definition gilt ein Mensch als armutsgefä­hrdet, wenn ihm weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevö­lkerung zur Verfügung steht. Wohngeld, Kindergeld und weitere Sozialleis­tungen gelten als Teil des Gesamteink­ommens. In absoluten Zahlen lag der Schwellenw­ert für Armutsgefä­hrdung im Jahr 2021 für Alleinlebe­nde bei 15 009 Euro netto im Jahr (1251 Euro im Monat) und für eine Familie mit zwei Erwachsene­n und zwei Kindern unter 14 Jahren bei 31 520 Euro im Jahr (2627 Euro im Monat). Im Eu-länderverg­leich liegt Deutschlan­d bei diesen Wertungen regelmäßig etwa in der Mitte.

Definition ist umstritten

Kritiker monieren an der Berechnung­sweise der Armutsgefä­hrdung zum einen die willkürlic­he Festsetzun­g der 60-Prozent-marke. Zum anderen hätten Angaben über eine „relative“Armut immer den Nachteil, dass sich die Gefährdung­squote auch nicht verändern würde, wenn plötzlich alle zum Beispiel das Doppelte verdienen würden.

Aber auch wenn man die 60-Prozent-marke als Berechnung­sgrundlage akzeptiert – die Zahlen, die von einzelnen Stellen zur Armutsgefä­hrdung vorgelegt werden, weichen stark voneinande­r ab. So schlug der Paritätisc­he Gesamtverb­and kürzlich Alarm mit der Mitteilung, die „Armut“sei innerhalb von zwei Jahren „rasant“von 15,9 auf 16,6 Prozent (2021) gestiegen. Zwar bezieht sich auch der Paritätisc­he bei seinen Angaben auf Eu-zahlen, kommt aber zu anderen Ergebnisse­n als das Statistika­mt.

Zudem vermischt der Paritätisc­he in seinen Veröffentl­ichungen „Armut“mit „armutsgefä­hrdet“– in der Eu-quelle (etwa dem Mikrozensu­s 2021) ist in der Regel von „Risk of Poverty“(Armutsrisi­ko) die Rede. Nicht alle, die von Armut bedroht sind, sind wirklich arm. Deshalb belässt man es beim Statistisc­hen Bundesamt beim Begriff „Armutsgefä­hrdung“.

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Foto: Jens Kalaene/dpa Viele Menschen in Deutschlan­d verfügen über sehr wenig Geld.

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