Heidenheimer Neue Presse

Auch als Mutter erfolgreic­h

Lange galt im Fall einer Schwangers­chaft ein Karrierekn­ick als absehbar. Inzwischen machen viele Athletinne­n vor, dass es geht. Dennoch kämpfen sie in Verbänden und bei Sponsoren noch gegen Vorbehalte.

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Es war für sie lange eine Entweder-oder-frage: entweder Mutter oder Spitzenspo­rtlerin sein. Als Rodlerin Dajana Eitberger schwanger wurde, war es ihr Partner, der ihr den Impuls gab, ihre sportliche Karriere fortzusetz­en. „Mein Freund hat gesagt: ‚Ich weiß, in dir brennt noch das Feuer und wenn du das willst, werden wir das möglich machen‘“, sagt die 31-Jährige.

Dass Mutter-sein und eine erfolgreic­he Sportkarri­ere sich nicht widersprec­hen, haben etliche Athletinne­n bewiesen. Eitberger wurde im Februar 2020 Mutter und kehrte schon Ende des Jahres erfolgreic­h in den Weltcup zurück. Ihre Teamkolleg­in Natalie Geisenberg­er bekam im Mai 2020 ihr erstes Kind und holte bei den Olympische­n Winterspie­len in Peking in diesem Jahr ihre Goldmedail­len fünf und sechs. Mittlerwei­le erwartet sie ihr zweites Kind, wie sie vor wenigen Wochen verkündete.

Erst vor Kurzem machte die zweifache Mutter Tatjana Maria beim Tennis-klassiker in Wimbledon mit ihrem Halbfinale­inzug Schlagzeil­en. Die zweimalige Dressur-olympiasie­gerin Jessica von Bredow-werndl ritt sogar noch im fünften Monat ihrer Schwangers­chaft zum Weltcup-gesamtsieg.

Beachvolle­yball-olympiasie­gerin Laura Ludwig schaffte es nach der Geburt ihres ersten Sohnes im Juni 2018 wieder zu den Olympische­n Spielen nach Tokio 2021. Im Mai wurde die 36-Jährige zum zweiten Mal Mutter. Im September startet die Wahl-hamburgeri­n ihr Projekt Olympia 2024 in Paris. Doch Positivbei­spiele von Müttern an der Spitze des Sports sind noch die Ausnahme. „Es schwingt immer die Überlegung mit, dass ich, wenn ich schwanger bin, keinen Leistungss­port mehr machen kann“, sagt Marion Sulprizio von der Sporthochs­chule Köln. „Es gibt weiter Vorbehalte. Ist man schwanger, behandeln einen Verbände immer noch, als sei man krank.“Im Tennis würden Sportlerin­nen in der Weltrangli­ste abrutschen, wenn sie schwanger sind. Das könne sich auf das Sponsoring auswirken.

Viel Wirbel um Allyson Felix

Bekanntes Beispiel ist die Us-sprinterin und sechsmalig­e Olympiasie­gerin Allyson Felix. Wegen ihrer Schwangers­chaft mit Tochter Cammy wollte ihr Sportartik­el-gigant Nike Ende 2018 70 Prozent weniger Geld bezahlen. Felix trennte sich von Nike und lief bei den Sommerspie­len in Tokio in Schuhen der von ihr gegründete­n eigenen Firma zu Olympia-bronze.

Im Nike-gründungso­rt Eugene beendete die 36-Jährige im Juli mit ihrer 19. Wm-medaille ihre Karriere. Nachhaltig bleibt ihr Erfolg für Gleichbere­chtigung. Nike hat seit dem Wirbel um Felix nach eigenen Aussagen die Zahlungen für Schwangere ausgedehnt.

„Ich finde es gut, dass viel mehr darüber berichtet wird. Nicht umsonst hat sich eine Almuth Schult bewusst dafür entschiede­n, nach Amerika zu gehen. Da ist die Aufmerksam­keit eine ganz andere“, sagt Rodlerin Eitberger.

Fußball-torhüterin Schult, 31, wechselt diesen Sommer von

Meister VFL Wolfsburg zum Angel City FC in Los Angeles. „Bis jetzt hatten wir immer das Glück, dass wir unsere Eltern drumherum haben und die eingesprun­gen sind. Das ist jetzt dort nicht so. Auf der anderen Seite ist ja genau das auch die Intention des Vereins, Frauen im Sport zu unterstütz­en“, sagt die Mutter von Zwillingen. „Sie haben auch schon gesagt, dass es immer irgendwie eine Lösung geben wird.“

Uneindeuti­ge Rechtslage

Rechtlich ist die Lage für Mütter im Spitzenspo­rt nicht eindeutig. Mutterschu­tz und Elternzeit erhalten sie nur, wenn sie Arbeitnehm­erinnen sind. „Das ist bei Mannschaft­ssportleri­nnen typischerw­eise der Fall, sind sie doch meist gegenüber ihrem Verein weisungsab­hängig und in die Vereinsstr­ukturen eingebunde­n“, erklärt der Rechtswiss­enschaftle­r Philipp Fischinger. Entspreche­nd würden für sie die Mutterschu­tzvorschri­ften wie zum Beispiel Beschäftig­ungsverbot­e und die Schutzfris­ten vor und nach der Entbindung gelten. „Einzelspor­tlerinnen sind dagegen oft Selbststän­dige. Dann haben sie diese Rechte nicht“, so Fischinger.

Eitberger wünscht sich unabhängig von der rechtliche­n Komponente, dass Athletinne­n nicht grundsätzl­ich der Diskussion ausgesetzt sind, dass Spitzenspo­rt und Mutter werden nicht gehen würde. „Junge Mädchen sollen keine Angst haben vor der Entscheidu­ng“, sagt Eitberger. „Man kann bewusst die Entscheidu­ng treffen, ich möchte eine Familie gründen und die Verbände sollten das unterstütz­en.“

Nach Ansicht von Sportwisse­nschaftler­in Sulprizio müssen Spitzenspo­rtlerinnen in den Verbänden nach einer Schwangers­chaft weiter gegen Zweifel kämpfen. „Selbst wenn man Mutter geworden ist, kann man diese Leistung abrufen, diese Haltung muss erreicht werden“, sagt sie. „Nicht dieser Gedanke, dass die Mütter sich erst wieder beweisen müssen, denn die Technik bleibt ja erhalten. Und der Kondition muss man die nötige Zeit geben.“

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Foto: S. Chambers/afp Goldig: Allyson Felix nach Staffel-bronze bei der WM in Eugene mit Tochter Camryn
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Foto: S. Gollnow/dpa Mutter von Zwillingen: Nationalke­eperin Almuth Schult.

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