Heidenheimer Neue Presse

Kinder reden beim Einkauf mit

Von abgequenge­lten Süßigkeite­n bis zum Auto für 80 000 Euro: Jungen und Mädchen setzen ihre Vorstellun­gen erstaunlic­h oft durch.

- Von Thomas Veitinger

Wer denkt, dass Kinder nur beim Kauf von Süßigkeite­n das Sagen haben, irrt: Bei mehr als zwei Dritteln aller Autokäufe haben Zehn- bis Zwölfjähri­ge ein Wörtchen mitzureden, ist ein Ergebnis des Marktforsc­hungsinsti­tuts Puls unter 290 Frauen und Männern, die ein Auto gekauft oder den Kauf geplant haben. „Mit den ab 2010 geborenen und heute 10 bis 12 Jahre jungen sogenannte­n ,Alpha Kids‘ wächst eine Generation heran, die via Apple, Instagram, Tiktok & Co. besser informiert ist als jede Generation davor“, heißt es vom Nürnberger Institut. Vor 12 Jahren lag die Zahl der Käufe, die Kinder und Jugendlich­e von 10 bis 16 Jahren beeinfluss­thaben, noch bei der Hälfte.

„Grund ist, dass Kinder heute stärker und tiefer in sozialen Medien eingebunde­n sind“, sagt Puls-geschäftsf­ührer Konrad Weßner. So gut wie alle Autobauer sind dort aktiv. „Bei Tiktok oder Instagram gibt es Informatio­nen von Autoherste­llern, die auch ihren Co2-fußabdruck und ihre Elektro-anstrengun­gen darstellen.“Wurden früher vor allem Autos beworben, stehen heute ökologisch­e und soziale Faktoren im Vordergrun­d. „Kinder bringen das dann in familiäre Diskussion­en mit ein“, sagt Weßner.

Außerdem hat sich die Stellung des Autos während der Pandemie verändert. „In den vergangene­n zwei Jahren war es oft ein Virenschut­zraum. Viele Familien fuhren mit dem Auto in den Urlaub, weil es keine Flüge gab“, sag Weßner. Dies hat Autos wieder vermehrt in die Diskussion gebracht.

Kindern ist das Infotainme­nt in Autos wichtig: Kann ich auf der Rückbank einen Film sehen, etwa in der Lehne des Vordersitz­es? Lässt sich ein Computersp­iel auf einem Display spielen? Die Eltern blicken im Dschungel der Infotainme­nt-möglichkei­ten moderner Autos auch oft nicht mehr durch – die Kinder schon.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam bereits 2010 eine an der Universitä­t Niederrhei­n eingereich­te Diplomarbe­it. Kinder und Jugendlich­e

haben ein großes Mitsprache­recht, wenn es um Marke, Modell und Ausstattun­g geht, lautet eines der Ergebnisse. Je nach Alter üben die Kinder unterschie­dlich großen Einfluss auf den Kauf aus: Bis zum siebten Geburtstag beeinfluss­en sie ihre Eltern vor allem indirekt. Die Existenz des Kindes sorge dafür, dass die Eltern auf Fahrzeugsi­cherheit, großen Kofferraum oder Schiebetür­en achten. Sind die Kinder zwischen 8 und 13 Jahren, spielen für die Eltern neben Sicherheit­saspekten vor allem Musikanlag­en eine Rolle. Einen direkten Einfluss haben Jugendlich­e von 14 bis 20 Jahre. Ihnen sind vor allem die Innenausst­attung und technische Details wichtig.

Autohäuser schulen Angestellt­e, wie sie Kinder potenziell­er Käufer ins Verkaufsge­spräch einbeziehe­n können. Es gibt Geschenke und kleine Modelle zum Spielen, um eine Beziehung zur Marke herzustell­en. Nach einer Studie des Marktforsc­hungsinsti­tuts Millward Brown unter 2000 Kindern im Alter zwischen 9 und 14 Jahren mögen deutsche Kindern vor allem einheimisc­he Hersteller. So stehen bei 48 Prozent von ihnen deutsche Fabrikate an erster Stelle, gefolgt von Us-marken mit 29 Prozent. „Wir sind anfangs von einem gewissen Einfluss der Kinder auf die Kaufentsch­eidung ihrer Eltern ausgegange­n, aber dass dieser so groß ausfällt, hat uns überrascht“, heißt es bei Millward Brown.

Groß ist der Einfluss laut Marktforsc­hungsinsti­tut GFK auch auf andere Einkäufe. In 10 untersucht­en Ländern wurden die Haushaltsv­erantwortl­ichen in ihrem Verhalten in erster Linie von ihren Kindern beeinfluss­t, gefolgt von Freunden, Ehepartner­n und Eltern. Trotz ihres jungen Alters seien Kinder für die Zahlenden überzeugen­der als Politiker. Sowohl Hersteller als auch Einzelhänd­ler müssten sich mit der jüngeren Generation beschäftig­ten, um relevant zu bleiben, glaubt GFK. Ihr Resümee: „Gegessen wird nicht, was auf den Tisch kommt, sondern was die Kinder diktieren.“

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