Krank zur Arbeit lohnt sich nicht
Jeder zweite Arbeitnehmer schleppt sich trotz körperlicher oder psychischer Beschwerden ins Büro. Präsentismus heißt das Phänomen. Es birgt erhebliche Risiken und Kosten – auch für die Unternehmen.
Mit positivem Corona-test ist die Sache klar: Das Büro bleibt tabu. Was aber, wenn Kopfschmerzen plagen oder gar eine depressive Phase beginnt? Viele Menschen schleppen sich dann doch zur Arbeit. Präsentismus nennt sich das Phänomen – und weder den kranken Arbeitnehmern noch den Arbeitgebern ist damit laut Experten geholfen.
Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland geht manchmal, häufig oder sehr häufig krank zur Arbeit, wie das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung aus Konstanz für die Techniker Krankenkasse herausfand. Frauen neigen der Studie zufolge eher zu Präsentismus als ihre männlichen Kollegen.
„Betriebswirtschaftlich gesehen sind die Kosten, die durch Präsentismus entstehen, mindestens so hoch wie die Kosten durch krankheitsbedingte Fehlzeiten“, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Nach Einschätzung des Psychologen Simon Hahnzog könnte der Anteil sogar noch größer sein. Die Kosten, die Unternehmen durch Präsentismus entstehen, seien etwa doppelt so hoch wie durch tatsächlich oder angeblich kranke Arbeitnehmer zusammen. Viele Firmen hätten jedoch mehr Sorgen wegen Blaumachern und steckten mehr Energie und Geld in den Kampf gegen diesen Absentismus.
Doch wer krank arbeite, sei nur eingeschränkt leistungsfähig, macht Hahnzog deutlich: „Ich bin acht Stunden da, arbeite effektiv aber nur fünf.“Auch passierten Kranken häufiger Fehler, was oft zu Folgekosten führe: „Das ist ein Lawineneffekt“, sagt Hahnzog. „Wenn einer einen Fehler macht, müssen unter Umständen zehn andere eine Stunde mehr arbeiten.“Auch passierten signifikant mehr Unfälle, wenn man krank zur Arbeit gehe. Dauerhafter, regelmäßiger Präsentismus erhöhe das Risiko für Herz-kreislauf-erkrankungen und psychische Störungen.
Die Zahl der Fehltage vor allem wegen psychischer Erkrankungen steige seit Jahren, sagt Simon Senner, Chefarzt im Zentrum für Psychiatrie Reichenau bei Konstanz. Am Anfang der Pandemie sei dieser Trend gestoppt worden. „Wahrscheinlich haben Existenzängste dazu geführt, dass sich mehr Menschen zur Arbeit geschleppt haben.“
Spätestens seit Herbst 2020 gehe die Zahl der Fehltage wieder hoch. Im ersten Halbjahr 2022 gab es nun deutlich mehr Krankschreibungen im Job als vor einem Jahr, wie die Krankenkasse DAK ermittelte. Das lag vor allem an vielen Atemwegserkrankungen, aber auch Corona-ausfälle nahmen zu.
Hahnzog geht davon aus, dass die Entwicklungen infolge der Pandemie den Trend aber verschärfen: „Im Homeoffice ist die Schwelle kleiner geworden, doch zu arbeiten.“Arbeitnehmer seien nochmal mehr der Eigenverantwortung überlassen worden. Führungskräfte wiederum hätten den
Gesundheitszustand der Mitarbeitenden im Homeoffice weniger gut im Blick.
Nach dem Arbeitsschutzgesetz sind Arbeitgeber verpflichtet, eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, sagt Senner. Nach seiner Einschätzung hat das aber nur die Hälfte gemacht. Während bei körperlichen Gefahren relativ einfach Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden könnten wie Abstandshalter, sei das bei psychischen Belastungen schwieriger. Führungskräfte könnten aber lernen, wie sie mögliche psychische Störungen erkennen und dann Mitarbeitende adäquat darauf ansprechen.
München/stuttgart. In einem Vergleich der Standortbedingungen für Familienunternehmen landet Baden-württemberg in der Spitzengruppe. Das ist das Ergebnis des am Donnerstag erstmals vorgestellten Bundesländerindexes des Leibniz-zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.
Die Forscher verglichen alle Bundesländer. Bayern und Sachsen schneiden unter den Flächenländern am besten ab, Badenwürttemberg liegt auf Platz drei. Die Wissenschaftler betrachteten die fünf Bereiche Steuern, Arbeit und Humankapital, Finanzierung, Infrastruktur und Institutionen. Die Kategorien flossen unterschiedlich stark in den Index ein. Besonders wichtig waren den Familienunternehmen demnach Arbeit und Humankapital und Infrastruktur. Im Bereich Infrastruktur rangiert Baden-württemberg im Mittelfeld. Bei Arbeit und Humankapital ist der Südwesten in der Spitzengruppe.
Die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin wurden getrennt von den Flächenländern untersucht, weil sie laut Autoren aufgrund struktureller Unterschiede nur schwer vergleichbar sind. Hier liegt Hamburg knapp hinter Berlin, Bremen schneidet schlechter ab. Unter den Flächenländern liegen Schleswig-holstein, Brandenburg, Sachsen-anhalt und Rheinland-pfalz hinten.
Kranken passieren häufig Fehler.