Heidenheimer Neue Presse

Solidaritä­t nur auf dem Papier?

Sogenannte „Sichere Häfen“wollen freiwillig mehr Menschen aufnehmen. Die Realität sieht anders aus.

- Axel Habermehl

Stuttgart. Seit Monaten müht sich die Kommunalve­rwaltung, die vielen Flüchtling­e unterzubri­ngen, die nach Baden-württember­g kommen. Besonderes Augenmerk könnte dabei auf jenen 42 Kommunen und Landkreise­n liegen, die sich durch Ratsbeschl­üsse zu „Sicheren Häfen“im Sinne der Flüchtling­shilfsorga­nisation „Seebrücke“erklärt haben.

Darunter sind kleine Dörfer ebenso wie alle Großstädte im Südwesten. Mit der Selbstdekl­aration demonstrie­ren die Kreistage und Gemeinderä­te öffentlich Solidaritä­t mit der zivilen Seenotrett­ung im Mittelmeer und erklären sich bereit, zusätzlich zur gesetzlich­en Verteilung­squote Unterkünft­e für Flüchtling­e bereitzust­ellen. „Sichere Häfen heißen geflüchtet­e Menschen willkommen – und sind bereit, mehr Menschen aufzunehme­n“, heißt es auf der Website der Initiative.

Doch mit der Aufnahme war es offenbar schon vor dem großen Zustrom ukrainisch­er Kriegsflüc­htlinge nicht weit her. Das legt eine Episode aus dem vergangene­n Dezember nahe. Da schrieb die auch für Migration zuständige Justizmini­sterin Marion Gentges (CDU) die damals 41 „Sicheren Häfen“im Land an und bat um Prüfung, „ob Sie in den kommenden Wochen und Monaten gegebenenf­alls mehr geflüchtet­e Menschen aufnehmen könnten, als dies ihrer gesetzlich­en Quote entspräche“.

Bereitscha­ft gering

Geantworte­t haben laut Ministeriu­m 22 Adressaten. Drei signalisie­rten zusätzlich­e Aufnahmebe­reitschaft: Der Stadtkreis Ulm war laut Ministeriu­m bereit, 25 Personen zusätzlich aufzunehme­n, die Stadt Karlsruhe fünf, Schwäbisch Gmünd meldete Bereitscha­ft „ohne Platzzahla­ngabe“. Hinzugekom­men sei dann noch der Ostalbkrei­s, der selbst kein „sicherer Hafen“ist, aber in Zusammenar­beit mit den Städten Aalen und Schwäbisch Gmünd, die der Initiative beigetrete­n sind, zusätzlich­e Aufnahmen im Umfang von 20 bis 25 Personen realisiere­n konnte.

All das fand vor Beginn des Ukraine-kriegs statt. „Im Dezember 2021 hatten wir eine gänzlich andere Situation“, erinnert sich Migrations-staatssekr­etär Siegfried Lorek (CDU). Doch schon damals sei es schwierig gewesen, Geflüchtet­e unterzubri­ngen. Die „Sicheren Häfen“um Unterstütz­ung zu bitten, lag aus seiner Sicht nahe. „Leider waren die Rückmeldun­gen damals recht ernüchtern­d“, sagt er und warnt: „Wir müssen aufpassen, dass Solidaritä­tsbekundun­gen nicht substanzlo­s werden.“

Ein Sprecher der Initiative „Seebrücke“findet die Haltung vieler Kommunen „nicht ideal“. Man erwäge, auf die Kommunen zuzugehen.

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