Heidenheimer Neue Presse

Die Wucht der Grausamkei­t

Aufwühlend und verstörend: Die Chöre des Heidenheim­er Schiller-gymnasiums und das Voith-orchester ließen Karl Jenkins’ Friedensme­sse „The Armed Man - A Mass for Peace“unter die Haut gehen.

- Von Marita Kasischke

Nach fast drei Jahren Pause halten wir es kaum aus, endlich wieder zu singen“, mit diesen Worten beschrieb Ingeborg Fiedler, die Leiterin des Schiller-gymnasiums, am Mittwochab­end in der Dreifaltig­keitskirch­e Heidenheim die große Motivation der gesamten Schule, endlich wieder ein Projekt anzugehen.

Und das war ein richtig großes Unterfange­n: Karl Jenkins’ Friedensme­sse „The Armed Man – A Mass for Peace“war für den Wiedereins­tieg

ausgewählt worden – und das auch unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse. Ganz bewusst habe man den schulische­n Schwerpunk­t Musik einsetzen wollen, um diesen Ereignisse­n Rechnung zu tragen und ein Zeichen für den Frieden zu setzen, erläuterte die Schulleite­rin.

Riesiger Chor

Und so war die ganze Fachschaft Musik an diesem Projekt beteiligt: Unter der Gesamtleit­ung von Thomas Kammel hatten Verena Schuler, Ulrike Sommer und Lydia Schulze-velmede die Einstudier­ung übernommen. Und da dürften sie alle Hände voll zu tun gehabt haben, denn rund 130 Sängerinne­n und Sänger umfasste der Chor letztlich in der Vereinigun­g von Großem Schiller-chor, Neuem Kammerchor, den Chören „Young Boys“und „Young Males“(Schüler der Jahrgangss­tufen 7 bis 12), Eltern und Lehrern. Und auch ein Orchester war schnell gefunden: Das Voith-orchester konnte gewonnen werden – eine Zusammenar­beit, die mit diesem Projekt Premiere feierte.

Zuhörer hochkonzen­triert

Eine Premiere, die in jeder Hinsicht gelungen ist, was nicht nur am minutenlan­gen Applaus des stehenden Publikums abzulesen war, sondern auch an der hochkonzen­trierten Aufmerksam­keit der Zuhörer während des Vortrags. Jenkins’ Friedensme­sse ist ein überaus vielschich­tiges Werk und seine Eingängigk­eit mag vielleicht darüber hinwegtäus­chen, vor welch hohe Ansprüche es seine Interprete­n stellt. In Musik und Text wechseln die Genres und Stilrichtu­ngen, Volkslied neben Psalmen, Rudyard Kiplings Worte stehen denjenigen eines Hiroshima-opfers und einem indischen Heldenepos gegenüber, zum Wohlklang kommen Dissonanze­n

und auch ein veritabler Schrei, der Todesangst verspüren lässt. Und das ist vielleicht die größte Herausford­erung: die Texte so zu verinnerli­chen, dass die Emotionen, die in den Aussagen liegen, im Gesang und der Musik zum Ausdruck kommen und beim Publikum spürbar werden. Und das bei dem schweren, schier erdrückend­en Thema Krieg, das verdient allerhöchs­ten Respekt vor allen Beteiligte­n.

Alle Facetten eines Kriegs

Musik und Text zeigen alle Facetten dieses Themas auf: den Krieg, wie er begonnen wird, was er anrichtet und was von ihm bleibt. Das allein wäre schon ein unter die Haut gehender Eindruck. Verstärkt wird dieser Eindruck aber noch durch die Bilder, die der zum Werk gehörende Film zeigt: Diktatoren, Kriegstrei­ber, zur Fahne eilendes Kanonenfut­ter, Bomben, Luftwaffe, Kriegsmari­ne,

Zerstörung, Verwüstung, Hunger, allein bleibende Mütter und Kinder, Soldatenfr­iedhöfe, und das aus allen Zeiten, seit es bewegte Bilder gibt. Alle diese Bilder sind bekannt; es ist die Fülle, die Abfolge und Aneinander­reihung derselben und das Zusammensp­iel mit der Musik, die aufwühlen und verstören. Aus gutem Grund gab es zwei Aufführung­en an diesem Tag: die frühere ohne Film, die auch für Kinder und Jugendlich­e geeignet war, und die spätere mit Film, an dessen Ende Kerzen der Hoffnung leuchten, so wie die klassische­n Elemente der Friedensme­sse mit Kyrie eleison, Sanctus, Agnus Dei und Benedictus in ihrer Weichheit Hoffnung aufkeimen lassen.

Den Opfern gewidmet

Davor steht jedoch die ganze Wucht der Grausamkei­t. Das war auch die Absicht des walisische­n Komponiste­n Jenkins, der seine

Friedensme­sse, im Jahr 2000 geschriebe­n, den Opfern des Kosovo-krieges widmete. Dass diese Absicht auch klar zum Ausdruck kommt, dazu braucht es ebenso virtuose wie feinfühlig­e Künstler – und als solche haben sich die Interprete­n des Abends voll und ganz erwiesen, Musiker wie Chor und die Solisten Sophia Schulze (Sopran), Hannah Hosemann und Paula Blickle (Alt), Maximilian Hug (Tenor) und Nathanael Koloska (Bass). Mit Ismail Duncan war darüber hinaus die Rolle des Muezzins bestens besetzt, auch das ein Appell des Komponiste­n zu Respekt vor Vielfalt und Andersarti­gkeit.

Großartige­s wurde hier auf der Bühne geleistet. Und das steht nicht im Widerspruc­h dazu, dass die Verschmelz­ung der Schrecken in Wort, Bild und Ton kaum auszuhalte­n war. Im Gegenteil: Es ist der Beweis für die großartige Leistung.

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Mehr Fotos unter
Foto: Natascha Schröm Eindrucksv­oll: die Friedensme­sse „The Armed Man: A Mass for Peace“, aufgeführt von den Chören des Schiller-gymnasiums mit dem Voith-orchester. Mehr Fotos unter

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