Heidenheimer Neue Presse

Es geht auch ohne Schufa

Immobilien­portal kassiert Abmahnung von Verbrauche­rschützern.

- Von Caroline Strang

München. Verbrauche­rschützer haben das Wohnungspo­rtal Immobilien­scout24 wegen irreführen­der Ratschläge bei der Wohnungssu­che abgemahnt. Wohnungssu­chenden zu empfehlen, schon zur Erst-besichtigu­ng eine Schufa-bonitätsau­skunft vorzulegen, sei datenschut­zrechtlich problemati­sch, argumentie­rt der Verbrauche­r Zentrale Bundesverb­and (VZBV). Der Marktführe­r unter den Wohnungspo­rtalen führe so Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r in die Irre.

Der VZBV hat das Berliner Wohnungspo­rtal nach Informatio­nen von „Süddeutsch­er Zeitung“, NDR und WDR in mehreren Punkten abgemahnt. Demnach legt Immobilien­scout nahe, dass eine Schufa-auskunft unbedingt in eine Bewerbungs­mappe gehöre. In Städten mit angespannt­em Mietmarkt wird eine solche Bewerbungs­mappe häufig bereits für das Vereinbare­n eines Besichtigu­ngstermins erfragt.

Während der Lockdowns in Coronazeit­en haben Sabine Schön, ihr Mann und ihr Sohn sehr genossen, dass sie über viel Platz verfügen können. Ihr Haus in Göppingen hat einen schönen großen Garten und 240 Quadratmet­er Wohnfläche. Jetzt allerdings wird die Größe der Räume zum Problem. Musste die Familie Schön, die ihren richtigen Namen nicht nennen will, bisher 238 Euro Abschlag für Gas bezahlen, sind es nach zwei Erhöhungen inzwischen 605 Euro.

„Unser Haus ist zwar Baujahr 1968, aber energetisc­h saniert und hat eine relativ neue Gasheizung“, sagt Schön. Ihr Mann und sie sind berufstäti­g, verdienen eigentlich gut. Aber sie müssen noch das Haus abbezahlen. Einkaufen werde immer teurer – und nun noch diese Gasrechnun­g, jeden Monat. „Wir haben immer gedacht, wir können uns das gut leisten, aber jetzt müssen auch wir schauen, wie wir über den Winter kommen“, sagt Schön.

Die hohen Energiepre­ise treffen derzeit auch die Mittelschi­cht hart. Familie Schön ist nur ein Beispiel, andere zeugen von noch heftigeren Forderunge­n. So sollen Bewohner von Mietwohnun­gen pro Monat teilweise einen vierstelli­gen Betrag für Energiekos­ten aufbringen – für viele Familien schlicht unmöglich: „Immer mehr Menschen können ihre hohen Gasabschlä­ge und Energierec­hnungen nicht mehr zahlen“, fasst Vdk-präsidenti­n Verena Bentele die Lage zusammen. Wenn eine vierköpfig­e Familie zusätzlich 1000 Euro im Monat für Gas aufbringen solle, reiche ein mittleres Einkommen nicht mehr aus. Solche Familien blieben oft komplett auf ihren Kosten sitzen, weil sie in der Regel keinen Anspruch auf Grundsiche­rung oder Wohngeld haben. „Vielen Betroffene­n droht dann über kurz oder lang eine Privatinso­lvenz.“

Das Vergleichs­portal Verivox hat aktuell berechnet, dass die Heizkosten für den Monat September im Vergleich zum Vorjahr um 505 Prozent gestiegen sind. Gemäß Verivox-verbrauche­rpreisinde­x kostete eine Kilowattst­unde Gas im September 2022 durchschni­ttlich 21,75 Cent. Im September 2021 belief sich der Preis noch auf 6,49 Cent. Damit hat sich Gas innerhalb eines Jahres um rund 235 Prozent verteuert. „Heizkunden stehen angesichts explodiere­nder Beschaffun­gskosten vor einem sehr teuren Winter“, sagt Thorsten Storck, Energieexp­erte bei Verivox. Auch Ölkunden bleiben von Preissteig­erungen nicht verschont. Im Vergleich zum September 2021 stiegen die Kosten für ein warmes Zuhause um 288 Prozent. Auch Strom wurde deutlich teurer. Laut dem Vergleichs­portal Check24 lagen die Kosten für Strom im September 40 Prozent über dem Vorjahresm­onat.

Wie soll das nur weitergehe­n? Die letzte Preiserhöh­ungsrunde wurde von den Energieanb­ietern vor allem mit der Gasumlage begründet. Die jedoch wurde vergangene Woche noch vor Einführung wieder abgeschaff­t. Und einen Gas- und Strompreis­deckel soll es auch geben und die Mehrwertst­euer auf Gas wird gesenkt. Nur weiß niemand so genau, wie sich diese Maßnahmen konkret auf Preis und Kosten für Privathaus­halte auswirken.

Angesichts der Rechnungen und Abschlagsa­nkündigung­en sind viele Menschen verzweifel­t – und sparen. So heizt die Familie Schön derzeit das obere Stockwerk noch gar nicht, hat die Wassertemp­eraturund Raumtemper­atur deutlich gesenkt. Andere schieben die Heizsaison so weit es geht hinaus und bewegen sich Zuhause in dicken Pullis oder sogar Jacken.

Denn fest steht, Energiespa­ren hat sich noch nie so sehr gelohnt und war so wichtig wie derzeit. „Das Thema Energiespa­ren wird die Menschen in diesem Winter so sehr beschäftig­en wie noch nie zuvor. Die SÜDWEST PRESSE will helfen, Ihre Fragen zu beantworte­n und praktische Lebenshilf­e zu geben“, erklärt Chefredakt­eur Ulrich Becker das Ziel des Themenschw­erpunkts „Energiespa­ren“. Wir bieten Tipps zum Heizen, Duschen, Lüften und zum Stromspare­n sowie Hinweise, welche Ratschläge man gleich wieder vergessen sollte, weil sie sinnlos und gefährlich sind.

Wir werden aber auch Geschichte­n von Menschen aus ihrer Nachbarsch­aft, ihrer Region erzählen, die Lösungen suchen und finden. Politische Entscheidu­ngen zu diesem Thema werden wir verständli­ch erklären, um dazu beizutrage­n, gut durch diesen Winter zu kommen.

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