Heidenheimer Neue Presse

Probleme und Pannen

- Leitartike­l Guido Bohsem zur Ampel-koalition und der Frage, ob die Niedersach­sen-wahl sie behindert leitartike­l@swp.de

Es läuft nicht rund in der Ampel-koalition. Auch ohne böswillig zu sein, nimmt die Menge an Problemen und Pannen eher zu als ab. Eine kleine und nicht vollständi­ge Liste gefällig?

Die Beiträge für die gesetzlich­e Krankenkas­se und die Pflegevers­icherung werden demnächst kräftig steigen, und der zuständige Minister hat keine Antwort auf das Problem. Die Initiative zum Bau von 400 000 Wohnungen bleibt weit hinter den Erwartunge­n zurück. Der Zeitplan zum Einstieg in eine von erneuerbar­en Energien betriebene­n Wirtschaft gilt unter Fachleuten als illusorisc­h – ebenso übrigens wie das Vorhaben, die deutschen Straßen umfassend mit Ladesäulen für Elektroaut­os zu versehen. Die Digitalisi­erung der Verwaltung scheint auch in dieser Legislatur­periode nicht zu gelingen. Die versproche­ne Entbürokra­tisierung lässt auf sich warten – auch wenn Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) einen wesentlich­en Beitrag dazu geleistet hat, indem er die katastroph­al geplante Gasumlage drei Tage vor Inkrafttre­ten wieder vom Tisch genommen hat.

Womit wir bei den Problemen wären, die durch den Überfall Russlands auf die Ukraine aufgelaufe­n sind: Wie die Modernisie­rung der Bundeswehr aussehen soll, ist auch Monate nach Beschluss des 100-Milliarden-eurotopfes offen. Trotz aller Beteuerung­en von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist nicht sichergest­ellt, dass Deutschlan­d gut durch den Winter kommt und ausreichen­d Gas und Strom vorhanden sind. Die immer verzweifel­ter klingenden Bitten des Chefs der Bundesnetz­agentur, Klaus Müller, nach mehr Einsparung­en zeugen von einer anderen Sprache.

Knapp zehn Monate nach Amtsantrit­t der Ampel scheint der Vorrat an gutem Willen untereinan­der völlig aufgebrauc­ht zu sein. FDP-CHEF Christian Lindner weigert sich seit Wochen zu akzeptiere­n, was ohnehin schon jeder weiß: Ohne neue Schulden wird das Land nicht durch die Krise kommen. Habeck und die Grünen machen es nicht besser. Obwohl er selbst gesagt hat, dass jede Kilowattst­unde Strom im Winter zählen wird, drücken er und seine Partei sich um die klare Entscheidu­ng herum, alle drei Atomkraftw­erke ein paar Wochen länger am Netz zu lassen.

Die zögerliche­n Manöver von SPD, Grünen und FDP sind, so heißt es allenthalb­en, mit der Landtagswa­hl in

Niedersach­sen zu erklären. Jede Partei habe nun mal ihre Positionen und könne sie nicht ohne weiteres aufgeben. Dieser Gedanke ist zweifellos richtig, er reicht aber zur Erklärung nicht vollständi­g aus.

Gravierend­er scheint zu sein, dass die Gemeinsamk­eiten des Dreierbünd­nisses vor allem auf gesellscha­ftlichen Feldern zu finden sind, die in Kriegszeit­en keine allzu große Rolle spielen, und ihre Differenze­n in diesen angespannt­en Krisenzeit­en umso stärker hervortret­en. Weil er eben kein starker, sondern ein Kanzler der knappsten Mehrheit ist, kann Scholz seine Partner auch nicht autoritär zur Ordnung rufen. Das macht das Regierungs­geschäft schwierige­r, langwierig­er und chaotische­r – und es strapazier­t die Geduld der Öffentlich­keit.

Weil er ein Kanzler der knappsten Mehrheit ist, kann Scholz nicht autoritär zur Ordnung rufen.

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