Unternehmer wegen Untreue verurteilt
Berufungsverhandlung Der Heidenheimer Wolfgang Wilhelm Reich hat eine einjährige Haftstrafe bekommen, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht Ellwangen kippte damit das Urteil des Heidenheimer Amtsgerichts. Von Silja Kummer
Das Landgericht Ellwangen hat in zweiter Instanz den Heidenheimer Unternehmer Wolfgang Wilhelm Reich wegen Untreue zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Freispruch des Amtsgerichts Heidenheim in derselben Sache vom April 2022 ist damit aufgehoben. Die mündliche Urteilsbegründung von Richter Heiko Baumeister fiel relativ knapp aus, was am Verhalten des Angeklagten lag: Er unterbrach die Ausführungen des Vorsitzenden Richters mehrfach durch erregte Zwischenrufe. „Ein Skandalurteil“, „sowas von lächerlich“und „Überlegen Sie, was Sie für einen Scheiß reden“musste sich Richter Baumeister anhören. Er attestierte Reich dafür eine „unglaubliche Unverschämtheit“, wie er sie noch nie im Gerichtssaal erlebt habe. „Ihr Verhalten ist peinlich“, so der Richter zum frisch verurteilten Angeklagten.
Dem 43-jährigen Heidenheimer war vorgeworfen worden, im März 2016 einen erheblichen Teil des Vermögens der Kremlin AG, deren Vorstand er zu diesem Zeitpunkt war, in Form von Aktien der AGS Portfolio AG an die VCI Venture Capital und Immobilien AG übertragen zu haben. Vor Gericht ging es um die Frage, ob dieses Geschäft rechtmäßig und nicht zu Ungunsten der Kremlin AG war. Nach dem Freispruch des Amtsgerichts Heidenheim durch Richter Rainer Feil hatte Oberstaatsanwalt Peter Humburger gegen das Urteil Berufung eingelegt. Dies führte zur einer erneuten Verhandlung vor dem Landgericht Ellwangen, wo der Prozess noch einmal aufgerollt wurde.
Als Untreue zu ahnden
Richter Baumeister sah im Gegensatz zum Amtsgericht Heidenheim, dem er im Übrigen eine „sehr gute Vorarbeit“bescheinigte, das Problem im Zeitraum nach der Übertragung der Aktien: Zwischen März und November 2016 sei von der VCI AG keine Zahlung an die Kremlin AG als Gegenwert für die Aktien geleistet worden. „Wir sind davon überzeugt, dass dies auch nicht gewollt war“, so Baumeister. Deshalb kamen der Richter und die beiden Schöffen zur Überzeugung, dass Reichs Verhalten als Untreue zu Ungunsten der Kremlin AG zu ahnden sei.
Auch Oberstaatsanwalt Peter Humburger hielt den Tatvorwurf der Untreue – wie bei der ersten Verhandlung auch – für erwiesen. Er forderte eine Gefängnisstrafe
von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung. Der strafrechtlich relevante Kern des Geschehens sei die Übertragung von 110.000 Aktien aus dem Besitz der Kremlin AG an die VCI AG, deren Wert auf rund 394.000 Euro beziffert wurde, so Humburger. Den Hintergrund des Geschäfts habe der Angeklagte selbst vor Gericht dargestellt: Er war zum Zeitpunkt des Aktiengeschäfts zumindest formal noch Vorstand mehrerer Aktiengesellschaften, die miteinander verflochten sind.
Eigentlich kein Vorstand mehr
Rein rechtlich hätte er den Vorstandsposten nicht mehr ausüben dürfen, da er vom Landgericht Stuttgart wegen unrichtiger Darstellung, falscher Angaben in sieben Fällen und verbotener Marktmanipulation in 22 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war. Die Strafe war auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil wurde am 27. Februar 2014 rechtskräftig. Nach Paragraph 76 des Aktiengesetzes durfte Reich ab diesem Zeitpunkt kein Vorstand einer Aktiengesellschaft mehr sein, war also inhabil.
„Herr Reich hatte damit keine Vertretungsmacht mehr“, so der Staatsanwalt. Trotzdem habe das tatsächliche Treueverhältnis zu diesem Zeitpunkt fortbestanden, wenn nicht juristisch, so doch
faktisch, da Reich nach wie vor als Vertreter der Aktiengesellschaft auftrat.
Vermögen in Sicherheit bringen
Durch die Übertragung der Aktien auf eine andere Gesellschaft habe Reich das Vermögen der Gesellschaft „in Sicherheit bringen“wollen. Hintergrund der Aktion war, dass am 1. März 2016 ein Mann in den Aufsichtsrat der Kremlin AG kam, der aus Sicht der Familie Reich zum Lager feindlicher Aktionäre gehörte. Gleichzeitig waren die Amtsgerichte auf die Inhabilität Reichs aufmerksam geworden, das Registergericht Ulm hatte bereits seine Streichung aus dem Handelsregister bezüglich der VCI AG angekündigt. Der Geschäftsmann musste deshalb damit rechnen, die Kontrolle über die börsennotierte Kremlin AG zu verlieren.
Anzeige erstattet
Die Befürchtungen traten Ende Mai 2016 tatsächlich ein, HansHermann Mindermann wurde als nicht zur Reich-gruppe gehörender Vorstand der Kremlin AG eingesetzt. Er war es auch, der Anzeige gegen Wolfgang Wilhelm Reich erstattete, weil er nicht erkennen konnte, welchen Gegenwert die Kremlin AG für die 110.000 Aktien erhalten hatte. Aus seiner Sicht war nur festzustellen, dass ein erheblicher Teil der Vermögenswerte der Aktiengesellschaft
nicht mehr da war.
Den Kaufvertrag für die Aktien brachte eine Zeugin, die gleichzeitig mit Reich Vorständin der VCI AG war, in Kopie zu ihrer polizeilichen Vernehmung mit. Diese fand allerdings erst am 16. April 2019 statt, zu diesem Zeitpunkt war bereits Anklage gegen Reich am Amtsgericht Heidenheim erhoben worden. Der Vertrag war nicht datiert und von ihr sowie von Wolfgang Wilhelm Reich unterschrieben. Zudem soll es einen sogenannten Optionsvertrag gegeben haben, der schon aus dem Jahr 2013 stammt und als Grundlage für Aktienübertragungen zwischen der VCI AG und der Kremlin AG gedient haben soll. Auf die Inhabilität des Angeklagten ab Februar 2014 wäre es somit hinsichtlich des Kaufvertrags nicht angekommen, da der Optionsvertrag schon zuvor bestanden
haben soll, führte der Staatsanwalt aus. Dass es diesen Vertrag gegeben haben soll, sei allerdings nur vom Zeugen Reich senior, dem Vater des Angeklagten, bestätigt worden. Alle anderen wussten nur vom Hörensagen davon.
Keine Beanstandungen
Ganz anders argumentierte Reichs Verteidiger Bernd Hess: „Es bestand der Optionsvertrag, was ja von den Zeugen bestätigt wurde“, sagte er in seinem Plädoyer. Sein Mandant habe ausschließlich im Interesse der Gesellschaften gehandelt. „Hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, wäre es zu einem größeren Vermögensschaden gekommen“, so Hess. Mit Existenz von Kauf- und Optionsvertrag habe auch ein Rechtsgrund beim Übertrag der Aktien bestanden. Zudem hätten die Wirtschaftsprüfer der Kremlin AG als Zeugen bestätigt, dass es keine Beanstandungen gab. „Was können wir mehr haben?“, so Hess. Der Verteidiger forderte die Zurückweisung der Berufung.
90 Minuten Schlusswort
Während der Verteidiger nur eine knappe Viertelstunde für den Schlussvortrag brauchte, sprach Wolfgang Wilhelm Reich anschließend weitere 90 Minuten zu seiner Verteidigung. Er bekräftigte, faktischer Geschäftsführer gewesen zu sein und deshalb die Rechte und Pflichten wie ein normaler Geschäftsführer gehabt zu haben. „Mein Interesse war von Anfang an, niemanden zu schädigen“, schließlich habe er unter Bewährung gestanden. Er habe keine eigenen Interessen verfolgt, sondern die der Gesellschaften. „Ich will meine Sache immer ordentlich machen“, so Reich. Er gab außerdem an, sich verfolgt zu fühlen, von der Staatsanwaltschaft Ellwangen genauso wie von der Presse in Person der Verfasserin dieses Textes.
Richter Baumeister erläuterte zur Höhe der Strafe, dass dabei die lange und belastende Verfahrensdauer berücksichtigt worden sei. Auch, dass die Tat schon lange zurückliege und Reich medialer Berichterstattung ausgesetzt worden sei, habe sich strafmildernd ausgewirkt. Allerdings habe das Gericht ebenfalls berücksichtigen müssen, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand. Man sei mit einem Jahr Haft am untersten vertretbaren Rand der möglichen Strafe. „Wir haben uns besonders gestreckt, um eine Bewährung möglich zu machen“, so Baumeister.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann durch Revision angefochten werden, die innerhalb einer Woche eingelegt werden muss. Sollte es dazu kommen, würde das Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil auf Rechtsfehler hin prüfen.
Wenn das Urteil rechtskräftig wird, gilt ab diesem Zeitpunkt wieder Paragraph 76 des Aktiengesetzes, wodurch Wolfgang Wilhelm Reich nicht mehr Vorstand von Aktiengesellschaften sein könnte. Er übt diesen Posten aktuell beispielsweise bei der Karwendelbahn AG, der VCI Venture Capital und Immobilien AG sowie mehreren Immobiliengesellschaften aus, die auch Wohnungen im Landkreis Heidenheim vermieten.