Heidenheimer Neue Presse

Der neue Umgang mit der AFD

Ein Tv-duell mit dem Rechtsextr­emisten Björn Höcke galt lange als No-go. Der Thüringer CDU-CHEF Mario Voigt hat es gewagt.

- Ellen Hasenkamp und Stefan Kegel

„Die AFD inhaltlich stellen“, lautet nach Jahren des vergeblich­en Ignorieren­s die Parole fast aller Parteien, auch der CDU. Deren Thüringer Landeschef und Spitzenkan­didat für die Wahl im September, Mario Voigt, hat das versucht und sich auf ein Fernseh-duell mit seinem Afd-konkurrent­en und vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft­en Björn Höcke im Sender „Welt“eingelasse­n. Ist der Plan aufgegange­n?

Ja, sagt der Berliner Politikwis­senschaftl­er Albrecht von Lucke von den „Blättern für deutsche und internatio­nale Politik“. „Voigt war gut, Höcke war schwach.“Für die Union sei Voigts Auftritt ein Riesengewi­nn gewesen. „Er hat bewiesen: Man kann die AFD inhaltlich stellen, und das können und müssen andere nun auch machen.“An vielen Punkten habe Voigt Höcke argumentat­iv alt aussehen lassen. Auch für von Lucke die vielleicht größte inhaltlich­e Überraschu­ng des Abends: Nachdem in den vergangene­n Monaten

Millionen Menschen in Deutschlan­d gegen die AFD und ihre Gleichgesi­nnten wegen deren Ideen zur „Remigratio­n“(wörtlich: Rückwander­ung) von Menschen selbst mit deutschem Pass auf die Straße gegangen waren, deutete Höcke den Begriff um: Es gehe vielmehr um die Rückkehr von Deutschen aus dem Ausland. „Irre und absolut unglaubwür­dig“nennt der Politologe diese Umetiketti­erung.

Schlechtes Gedächtnis?

Zum Verhängnis seien Höcke auch seine Gedächtnis­lücken geworden, meint von Lucke. So konnte er sich nicht mehr daran erinnern, in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“von 2018 geschriebe­n zu haben, die in Deutschlan­d geborene Spd-politikeri­n Aydan Özoguz habe in Deutschlan­d nichts verloren. Die Verwendung des Sa-zitats „Alles für Deutschlan­d“vor drei Jahren, das ihm einen Prozess wegen Volksverhe­tzung eingebrach­t hat, führte der Geschichts­lehrer darauf zurück, es nicht gekannt zu haben.

Wird die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit der AFD Schule machen? Von Lucke hofft das. „Die Behauptung, alle Afd-wähler seien rechtsradi­kal, ist falsch.“Eine ganze Reihe sei rückgewinn­bar, gerade durch die Union – mit „konservati­ven Positionen, die ganz klar Abstand halten vom Rechtsradi­kalismus“. In der CDU war der Plan Voigts nicht unumstritt­en. Schließlic­h gilt es, die Glaubwürdi­gkeit der von Parteichef Friedrich Merz proklamier­ten „Brandmauer“zu erhalten. Mit dem Ausgang des Abends zeigte sich die Partei aber hochzufrie­den: „Dieses Tv-duell war wichtig“, teilte die Partei mit. Voigt habe gezeigt, worum es gehe: „Vernünftig­er Neuanfang“oder „Chaos und Spaltung“. Linken-chef Martin Schirdewan sprach von einer „braun-schwarzen Freakshow“und nannte das Tv-duell einen „Fehler“.

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