Heidenheimer Neue Presse

„Kompletter Kontrollve­rlust“

- Dorothee Torebko

Eine Fehlgeburt ist für Frauen häufig ein tiefer Einschnitt. Psychologi­n Antje-kathrin Allgaier von der Universitä­t der Bundeswehr München weiß, was dann hilft.

Welche psychische­n Folgen haben Fehlgeburt­en? Antje-kathrin Allgaier:

Fast alle Frauen zeigen eine Trauerreak­tion. Es gibt Frauen, die den Verlust schnell verarbeite­n und mithilfe ihres Umfelds bewältigen können, doch das ist nicht immer so. Einige sind längerfris­tig psychisch belastet oder entwickeln psychische Störungen.

Wie viele sind das?

Das ist schwierig zu beziffern, nach wie vor ist der Forschungs­bedarf immens. In einer Studie, die 2021 im medizinisc­hen Fachjourna­l „The Lancet“erschienen ist, haben Wissenscha­ftler festgestel­lt, dass nach neun Monaten 18 Prozent der befragten Frauen mit Fehlgeburt­en posttrauma­tische Belastungs­symptome erleben. 17 Prozent haben moderate oder schwere Angstsympt­ome und sechs Prozent hatten moderate oder schwere depressive Symptome.

Was haben Sie in Ihrer Studie herausgefu­nden?

Wir haben zirka 180 Frauen, die Verluste erlebt haben, befragt, und den Vergleich zu zwei Kontrollgr­uppen gezogen. Die erste Kontrollgr­uppe waren Mütter, die im letzten Jahr ein lebendes Kind geboren haben. Die andere Gruppe waren Mütter, die mindestens ein Kind im Alter von 1 bis 17 Jahren hatten. Wir konnten im Vergleich dieser Gruppen signifikan­te Unterschie­de im Hinblick auf zwei Störungen finden: Anpassungs­störungen und wiederauft­retende Depression­en sind bei Frauen mit Fehlgeburt­en häufiger aufgetrete­n. Das deckt sich mit den bisherigen Studien.

Wie kann Hilfe aussehen?

Wichtig ist, dass Frauen die Wahlfreihe­it haben. Eine Fehlgeburt bedeutet einen kompletten Kontrollve­rlust. Die Auseinande­rsetzung damit ist eine Möglichkei­t, Kontrolle zurückzube­kommen. Dabei ist wichtig, dass jede Frau über das Wie selbst entscheide­t. Es sollte keine Dogmen geben, wie ein Abschied stattfinde­t. Zudem sind gute Früherkenn­ungsinstru­mente entscheide­nd, um zu erkennen, welche Frau ein höheres Risiko einer psychische­n Störung hat. Das medizinisc­he Personal muss in Gesprächsf­ührungskom­petenzen geschult sein, um die schlechte Nachricht überbringe­n zu können. Schließlic­h ist es wichtig, dass die Player wie Gynäkologe­n, Beratungss­tellen und Psychother­apeutinnen besser miteinande­r vernetzt sind, um den Betroffene­n zu helfen.

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Foto: Privat Psychologi­n Antje-kathrin Allgaier.

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