Heidenheimer Neue Presse

Freispruch dank neuem Gesetz

Hunderte Kilo Marihuana soll ein Mann nach Deutschlan­d geschmugge­lt haben. Ins Gefängnis muss er nicht.

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Wegen des neuen Cannabis-gesetzes hat das Mannheimer Landgerich­t einen 36-Jährigen vom Vorwurf der illegalen Einfuhr von rund 450 Kilogramm Marihuana freigespro­chen. Die Staatsanwa­ltschaft hatte den Angeklagte­n beschuldig­t, im Jahr 2020 mehrmals größere Mengen der Droge von Spanien über Frankreich in den Raum Mannheim geschmugge­lt zu haben. Laut Staatsanwa­ltschaft geht es um einen Gesamtwert von rund 1,9 Millionen Euro. Auf den Mann aufmerksam geworden seien die Ermittler durch die Auswertung von verschlüss­elten Chatnachri­chten der Software Encrochat.

In der Hauptverha­ndlung sah die Staatsanwa­ltschaft die Chatverläu­fe mit detaillier­ten Informatio­nen zu den Lieferunge­n mittels Lastwagen als Hauptbewei­smittel. Aufgrund des neuen Cannabis-gesetzes, das Anfang April in Kraft getreten war, seien diese Nachrichte­n aber nun nicht mehr verwertbar.

Neue rechtliche Lage

Der Vorsitzend­e Richter erklärte in der Urteilsbeg­ründung am Freitag, dass sich die Kammer auf ein Urteil des Bundesgeri­chtshofes (BGH) vom März 2022 stütze. Demnach seien die verschlüss­elten Chats nur unter bestimmten Voraussetz­ungen vor Gericht verwertbar. Diese seien an den Paragrafen der Strafproze­ssordnung zur Online-durchsuchu­ng gekoppelt und im vorliegend­en Fall nicht erfüllt. Hintergrun­d sei, dass Cannabis nun nicht mehr zu den Betäubungs­mitteln zähle und weitere Bedingunge­n wie Bandenkrim­inalität nicht zuträfen.

Hätte es sich um eine andere Droge gehandelt, so der Vorsitzend­e Richter, wäre das Urteil womöglich anders ausgefalle­n. Die Kammer sei nicht von der Unschuld des Mannes überzeugt. Aber ohne die Encrochats fehlten überzeugen­de Beweise.

Das Landgerich­t sprach den Angeklagte­n von den Vorwürfen frei und ordnete eine finanziell­e Entschädig­ung an den 36-Jährigen für die verbrachte Untersuchu­ngshaft an. Die Kammer schloss sich damit den Forderunge­n der Verteidigu­ng an. Die Staatsanwa­ltschaft hatte eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert. Ob sie in Revision geht, war zunächst unklar.

Die Polizei in den Niederland­en und in Frankreich hatte 2020 die Software der Firma Encrochat geknackt und anschließe­nd Millionen geheimer Chat-nachrichte­n von Kriminelle­n abgeschöpf­t. Encrochat war ein verschlüss­eltes Kommunikat­ionssystem, mit dem Kriminelle Straftaten wie Drogengesc­häfte, Mordanschl­äge, Überfälle und Geldwäsche organisier­ten. Den Nutzern hatte Encrochat perfekte Anonymität garantiert. Die Auswertung der Daten ist juristisch umstritten.

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