Roman Elena Fischer: Paradise Garden (Folge 81)
Es war ein Kasten, um ein Musikinstrument darin zu transportieren. Er stand in einem Haufen Sperrmüll. Ich hatte keine Ahnung, für welches Instrument der Kasten war, aber das spielte keine Rolle. Er war groß genug. Ich hielt an. Das Ding sah gebraucht aus, und ein Schultergürtel war gerissen. Es war perfekt. Ich lud ihn in den Kofferraum.
Das Kaufhaus war beinahe leer, und ich hatte alle Zeit der Welt. Ich konnte mich in Ruhe umschauen. Niemand verdächtigt eine Person, die sich in einem Kaufhaus bewegt wie in ihrem eigenen Wohnzimmer.
Ich lächelte die Verkäufer an, und sie lächelten zurück.
Ich fragte einen Verkäufer, wo ich Notenpapier finden könne, und er sagte es mir. Ich fuhr mit der Rolltreppe ins richtige Stockwerk, und dann fragte ich noch einmal.
Danach fuhr ich in die Camping-abteilung.
Als ich erledigt hatte, was ich erledigen wollte, stellte ich mich mit dem Notenpapier in den Händen an der Kasse an. Es war so einfach. Kaufhäuser wie dieses machten es Mädchen wie mir wirklich leicht.
31
In der Fußgängerzone kaufte ich mir ein Softeis. Es war so lächerlich klein, dass ich es in ungefähr zehn Sekunden aufgegessen hatte. Danach drückte ich meine Nase an den Schaufenstern teurer Läden platt. Es wurden Wintermäntel, Handschuhe und
Halstücher ausgestellt. Die Schaufensterpuppen sahen sehr elegant aus. Ein Mantel gefiel mir besonders gut. Er war dunkelgrün und hatte einen Fellkragen. Dazu trug die Puppe rote Lederhandschuhe und eine rote Mütze. Ich stellte mir vor, wie es wäre, den Mantel zu tragen, und träumte mit offenen Augen vor mich hin.
In der Schaufensterscheibe spiegelten sich die Häuser der anderen Straßenseite und die Leute, die wie ein träger Strom vorbeizogen. Plötzlich sah ich schräg hinter mir eine Silhouette, die mir bekannt vorkam. Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, wusste ich schon Bescheid. Es war meine Mutter.
Ich drehte mich um, aber sie war nirgends. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Ich setzte den Instrumentenkasten ab. Dann ließ ich mich auf den Boden gleiten. Ich klemmte den Kasten zwischen meine Beine und umklammerte ihn mit beiden Armen wie einen Freund. Ich blieb so lange sitzen, bis der Schweiß auf meiner Stirn getrocknet war.
Im Auto holte ich den Schlafsack aus der Verpackung und rollte ihn auseinander. Er war mit Daunen gefüttert. Auf dem Etikett stand, dass er für bis zu minus achtzehn Grad geeignet war. Damit hätte ich eine Sommernacht am Nordpol verbringen können. Den Wecker legte ich auf den Beifahrersitz. Es war unmöglich gewesen, eine Armbanduhr zu stehlen. Alle Armbanduhren hingen in Vitrinen aus Glas und waren doppelt gesichert. Aber der Wecker war aus billigem Plastik und hatte in einem Karton gesteckt, der in einem Regal stand. Er war wie dafür gemacht, ihn beim Zelten zu verlieren. Niemand würde deshalb eine Träne vergießen.
Am liebsten hätte ich mich schon jetzt auf die Rückbank gelegt. Am liebsten hätte ich mich in den Schlafsack gekuschelt wie ein Katzenbaby in das Fell seiner Mutter. Aber ich hatte seit drei Tagen nicht geduscht, und der Schlafsack war jetzt mein Bett. Und es gab nichts Besseres, als sich frisch geduscht ins Bett zu legen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich an eine Dusche kommen sollte. Aber dann fiel mir ein, dass meine Mutter und ich ein paarmal im Schwimmbad geduscht hatten, als uns das Warmwasser abgestellt worden war. Wir hatten die Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt. Jede richtige Stadt hatte ein Schwimmbad. Ich musste es nur finden.
Zuerst parkte ich den Nissan um. Ich stellte ihn auf einen offiziellen Parkplatz, aber mit der Beifahrerseite so dicht an einem Gebüsch, dass niemand die kaputte Tür sehen konnte. Dann stopfte ich meinen Badeanzug, ein paar saubere Kleider, ein Handtuch, Duschgel und mein Notizheft in meinen Rucksack.
Ich fragte ein paar Leute nach dem Weg zum Schwimmbad. Die einen schickten mich in die eine, die anderen in die andere Richtung. Wahrscheinlich gab es zwei Schwimmbäder.