„Ich war nicht die Lieblingstochter“
Die Journalistin Düzen Tekkal ist für ihren Kampf für Minderheiten ausgezeichnet worden.
Düzen Tekkal schaut vom Podium hinunter in den Saal, wo am Samstagabend ihre Eltern und einige ihrer zehn Geschwister sitzen. „Ich war nicht die Lieblingstochter, ich war das schwarze Schaf in der Familie“, sagt sie lachend. Gerade hat ihr Ludwig Theodor Heuss im Weißen Saal des Neuen Schlosses in Stuttgart vor 400 Festgästen den renommierten Theodor-heuss-preis verliehen – benannt nach seinem Großvater, dem ersten Bundespräsidenten: „für Ihren unermüdlichen Einsatz für Freiheit, Demokratie und die Rechte von Minderheiten“.
Mit Minderheiten kennt sich die 45-jährige in Hannover geborene Journalistin schon aus biografischen Gründen aus. Die kurdischen Eltern hatten sich als Angehörige der verfolgten kleinen Glaubensgemeinschaft der Jesiden in den 70er-jahren aus der Osttürkei nach Deutschland „ins Grundgesetz gerettet“, wie die Tochter den Vater zitiert. Ein „Glückskind“nennt Heuss die Preisträgerin, denn im „Sehnsuchtsland“der Eltern gelang der wissensdurstigen Tochter ein Aufstieg ganz nach liberaler Devise: „Bildung als Ticket zur Freiheit“. Ihre damit verbundene Emanzipation von den patriarchalischen Zwängen der Religionsgemeinschaft machte sie freilich zeitweise zum „schwarzen Schaf “.
Das ist längst vorbei. Denn Düzen Tekkal, die nach ihrem Germanistikund Politikwissenschaftsstudium als Fernsehjournalistin
zunächst bei RTL, Spiegel-tv und Stern-tv arbeitete, machte 2014 als Freie Journalistin „den systematischen Völkermord“(Heuss) an den Jesiden durch die islamistischen Terroris
ten im Nordirak für ein breites Publikum öffentlich. Ihr Film „Hawar – meine Reise in den Genozid“wurde auch im Bundestag und bei der Uno gezeigt. Düzen Tekkal erinnert an diesem Tag mit Dank daran, dass Baden-württemberg
rund 1000 Jesidinnen und ihre Kinder als Sonderkontingent aufgenommen hat und fügt unter Beifall an: „Ich werbe für ein zweites Kontingent.“2020 folgte der zweite Film „Jiyan – Die vergessenen Opfer des IS“. Damit nicht genug: „Mit dem gemeinsam mit ihren Schwestern gegründeten Verein Hawar.help ist sie eine der wichtigsten Unterstützerinnen in Deutschland für den Kampf der Frauen im Iran und mit der Bildungsinitiative Germandream eine begeisternde Botschafterin für die Werte des Grundgesetzes“, heißt es in der Begründung des Preises.
Der ist längst nicht der einzige. Und auch aus der Politik schlägt der parteilosen Trägerin des Bundesverdienstkreuzes parteiübergreifend Achtung entgegen. Zweimal war sie im Schattenkabinett (erfolgloser) Cduministerpräsidenten-anwärter, mit dem Grünen Agrarminister Cem Özdemir duzt sie sich genauso wie mit Armin Laschet auf dem Podium. „Düzen Tekkal lässt sich nicht vereinnahmen“, so der Unions-kanzlerkandidat von 2021 lapidar.
Und sie, die immer wieder angefeindet wird, lässt sich ihr Engagement auch nicht auf die persönliche Betroffenheit reduzieren. Sie kämpft gegen Antisemitismus wie gegen Muslimfeindlichkeit und wirbt für die Freiheit unter dem Grundgesetz: „Wenn wir so viel dürfen, warum machen wir dann so wenig?“