Heidenheimer Neue Presse

Steuerzusc­hüsse als Lösung für wachsende Defizite?

Die Beiträge zur Pflegevers­icherung immer weiter erhöhen – oder lieber die Steuerzahl­er belasten? Fakt ist: Die Pflege wird immer teurer und ist bisher schlecht finanziert.

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Die Zahl der Pflegebedü­rftigen steigt – und damit gehen auch die Kosten für die Pflegevers­icherung nach oben. So stieg laut den gerade veröffentl­ichten Zahlen der Ersatzkass­en 2022 die Zahl der Leistungse­mpfänger um rund 269 000 auf 4,9 Millionen. Das ließ die Ausgaben innerhalb von zwölf Monaten um fast zwölf Prozent auf 60 Milliarden Euro wachsen – und sorgte für ein Defizit von 2,3 Milliarden Euro. Im Juli 2023 waren deshalb die Beiträge zur gesetzlich­en Pflegevers­icherung angehoben worden. Doch das dürfte nicht lange reichen. Die Krankenkas­se DAK erwartet bereits für den Jahreswech­sel einen weiteren Anstieg.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) will deshalb Steuerzusc­hüsse für die Pflegevers­icherung – die es aktuell nicht gibt, denn die erst 2022 eingeführt­e eine Milliarde Euro jährlich vom Bund war für 2024 wegen der Haushaltsl­age auf Druck von Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) weggefalle­n. Er glaube allerdings, so Lauterbach, „dass wir hier langfristi­g auch ohne eine bessere steuerfina­nzierte Absicherun­g der Pflegevers­icherung nicht hinkommen werden. Es kann nicht alles über Beitragssä­tze finanziert werden“.

Institut liefert Schätzunge­n

Aber was würde das für die Steuerzahl­er bedeuten? Das Wissenscha­ftliche Institut der privaten Krankenkas­sen (WIP) hat ausgerechn­et, wie hoch die Steuerzusc­hüsse an die gesetzlich­e Pflegevers­icherung ausfallen müssten, um die Beitragssä­tze stabil zu halten. Allein aufgrund der demografis­chen Alterung müssten die Steuerzahl­er demnach in der Summe der Jahre von 2025 bis 2030 einen Gesamtbetr­ag von 18,5 Milliarden Euro schultern. Aber es könnte auch noch teurer werden. Unterstell­t man nämlich, dass sich das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben der Pflegevers­icherung in den nächsten Jahren weiter so entwickelt wie im Durchschni­tt der vergangene­n 20 Jahre – da nahmen die Einnahmen je Mitglied im Schnitt um 2,0 Prozent im Jahr zu, während die Ausgaben um 5,7 Prozent wuchsen – dürfte der Steuerzusc­huss laut WIP noch viel höher liegen: In der Summe der Jahre von 2025 bis 2030 würde ein Gesamtbetr­ag von 70,8 Milliarden Euro aus dem Bundeshaus­halt benötigt, also 11,8 Milliarden im Jahr.

Während die gesetzlich­en Kranken- und Pflegekass­en davor warnen, dass Beschäftig­te und Arbeitgebe­r überlastet würden, sollte „die Politik weiter eindimensi­onal und einfallslo­s auf steigende Beiträge setzen“, so Gernot Kiefer, Vize-chef ihres Spitzenver­bandes, warnen die privaten Kassen vor Bundeszusc­hüssen. Denn die bedeuteten „im Klartext: zusätzlich­e Schulden. So eine Sozialpoli­tik auf Pump würde der nachfolgen­den Generation noch höhere Lasten aufdrücken. Das ist unverantwo­rtbar“, sagt Florian Reuther, Direktor des Verbands der privaten Kassen.

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Foto: Sina Schuldt/dpa Eine Pflegefach­kraft hilft einer Bewohnerin in einem Seniorenhe­im: Die Finanzieru­ng der Pflege bereitet der Bundesregi­erung Kopfzerbre­chen.

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