„Gehirn ist wie ein Muskel“
dem Renteneintritt wollen die wenigsten. Doch das kann helfen, die geistige Fitness zu erhalten, weiß Wissenschaftler Hendrik Schmitz von der Uni Paderborn und dem RWI Essen.
Herr Schmitz, wie beeinflusst der Ruhestand die geistige Fitness? Hendrik Schmitz:
Wenn Menschen in den Ruhestand gehen, lässt die geistige Fitness mittel- bis langfristig nach. Es gibt einen allgemeinen altersbedingten Abbau von geistigen Fähigkeiten. Der wird verdoppelt, wenn die Menschen in Rente gehen.
Warum?
Dafür kann es mehrere Gründe geben. Der Wesentliche lässt sich mit der Use-it-or-lose-it-hypothese erklären. Sie besagt: Das Gehirn ist wie ein Muskel, der immer wieder trainiert werden muss. Wenn Menschen in Rente gehen, haben sie oft weniger geistige Herausforderungen. Ein anderer Grund ist der Verlust sozialer Kontakte, der vor allem bei Männern stärker ausfällt als bei Frauen.
Warum ist das so?
Viele der von uns untersuchten Männer identifizieren sich stärker mit ihrer Arbeit als die untersuchten Frauen. Zudem bereiten sich Männer weniger stark auf die Rente vor als Frauen.
Wie verändert sich die geistige Fitness?
Wir nutzen Daten von 100 000 Personen, mit denen kognitive Tests solviert wurden. Zum Beispiel wurden ihnen Wörter vorgelesen, und sie mussten sich daran erinnern. Das ist ein einfaches, aber gutes Maß für die Messung kognitiver Fähigkeiten. Mit Erinnerungstests kann man sehr gut eine frühzeitige Demenz vorhersagen. Wenn die Menschen in Rente gehen, können sie sich sukzessive weniger an Wörter erinnern. Dazu muss man sagen: Die Menschen selber merken nicht unbedingt, dass ihre geistige Fitness nachlässt. Erst durch die Tests offenbart sich das.
Kann man mit Arbeit in der Rente etwas gegen den geistigen Abbau tun?
Basierend auf unseren Studienergebnissen ist das eindeutig so. Die längere Arbeit ist das derzeit unbeliebteste Mittel, um das Rentensystem demografiefest zu machen. Doch ihr Ruf ist schlechter als die Wirklichkeit. Denn Frührente ist nicht zwingend für ältere Arbeitnehmer der einzige Weg. Wenn man körperlich gearbeitet hat, kann man sich vielleicht beruflich noch einmal umorientieren. Durch den Fachkräftemangel wird das ohnehin immer wichtiger werden. Länger zu arbeiten, ist auch für einen persönlich nicht so schlimm wie häufig suggeriert wird.