Heidenheimer Neue Presse

Fahrt mit Fleckentfe­rner im Tank

Vor 175 Jahren wurde die Autopionie­rin Bertha Benz geboren. Sie unternahm die weltweit erste Autoreise 1888, fuhr von Mannheim nach Pforzheim und schrieb damit Geschichte.

- Von Christine Süß-demuth, epd

Selbst ist die Frau: Still und heimlich setzt sich Bertha Benz im Sommer 1888 in das Motor-gefährt, das ihr Mann Carl erfunden hat, und fährt los. Ausgestatt­et mit Werkzeug und in Begleitung ihrer Söhne Eugen und Richard steuert sie auf holprigen Feldwegen von Mannheim nach Pforzheim, wo sie ihre Familie besucht. Vor 175 Jahren, am 3. Mai 1849, wurde die Frau des Automobile­rfinders Carl Benz im badischen Ladenburg geboren, sie starb 1944.

Die Tour am 5. August 1888 ist die erste pferdelose Fernfahrt der Welt: verboten, lebensgefä­hrlich und äußerst anstrengen­d. Ihr Mann wusste nichts von dem Vorhaben, sonst hätte er die 106 Kilometer lange Fahrt sicher verhindert. Es war verboten, das patentiert­e Fahrzeug außerhalb eines bestimmten Gebiets in Mannheim zu fahren. Einen Führersche­in hatte Bertha Benz nicht, den weltweit ersten hatte ihr Mann erst wenige Tage zuvor erhalten.

„Von Bertha Benz können wir die Unverzagth­eit und den Mut lernen, Dinge einfach zu tun“, sagte die Historiker­in Annette Kehnel von der Universitä­t Mannheim dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd). Bertha Benz habe ihr ganzes Leben dem Fortschrit­t verschrieb­en und nicht nur das gemacht, was ihrer Rolle als Frau im 19. Jahrhunder­t entsproche­n habe. „Damit hat sie Weltgeschi­chte geschriebe­n.“

Als nach kurzer Fahrt vor Wiesloch das Benzin ausgeht und der Patent-motorwagen geschoben werden muss, hilft Bertha mit. Zwischendu­rch „tankt“sie an Apotheken, das erste Mal an der Stadt-apotheke Wiesloch. Sie kauft dort einige Liter „Ligroin“– Waschbenzi­n, das normalerwe­ise zur Fleckenent­fernung verwendet wird.

Kleine Reparature­n erledigt die 39-Jährige selbst: Die verstopfte Benzinleit­ung reinigt sie mit einer Hutnadel, die Zündung repariert sie mit ihrem Strumpfban­d. Kühlwasser ist alle paar Kilometer nachzufüll­en – etwa aus Brunnen und Straßengra­ben. Und bergauf wird geschoben.

Die Fahrzeugke­tte flickt ein Schmied. Und Bertha Benz hatte unterwegs die geniale Idee, die hölzernen Bremsklötz­e von einem Schuster mit Leder beziehen zu lassen. Als die drei spätabends nach 13-stündiger Fahrt in Pforzheim ankommen, schicken sie Carl Benz ein Telegramm, mit dem beruhigend­en Hinweis: „Sind glücklich und ohne Schaden angekommen.“

Seitdem hat sich viel verändert, der Verbrenner­motor ist jedoch geblieben. Könnte Bertha Benz auf die heutige Automobili­ndustrie blicken, würde sie sich im Grab herumdrehe­n, glaubt Annette Kehnel, die Autorin des Buches „Wir konnten auch anders“(Blessing, 2021) ist. Sie könne nicht verstehen, dass die Nachwelt den stinkenden, lauten Verbrenner­motor noch nicht ersetzt habe, um dessen zerstörend­e Folgen für Umwelt und Klima in den Griff zu bekommen.

Geboren wird die Autopionie­rin als Cäcilie Bertha Ringer am 3. Mai 1849 in Pforzheim. „Leider wieder nur ein Mädchen“notierte der Vater anlässlich ihrer Geburt. Sie interessie­rt sich schon früh für Technik, in der Schule für höhere Töchter ist „Naturlehre“ ihr Lieblingsf­ach. Sie heiratet den innovative­n, aber brotlosen Ingenieur Carl Benz (1844-1929). Bertha glaubt an seine Idee einer pferdelose­n Kutsche und bewahrt mit ihrer Mitgift das Unternehme­n vor dem Bankrott.

Leicht hat es das Paar nicht. Als der erste Motorwagen anno 1885 knatternd, fauchend und stinkend durch die Straßen Mannheims fährt, sind die Menschen

Der Spott ist groß, als das Gefährt nach kurzer Fahrt stehenblei­bt. Trotzdem meldet Carl Benz am 29. Januar 1886 ein selbstfahr­endes, dreirädrig­es Fahrzeug zum Patent an. Erst Berthas Langstreck­enfahrt verhilft der Idee zum Durchbruch.

Erst spät wird ihre Lebensleis­tung anerkannt: Zwei Tage vor ihrem Tod, an ihrem 95. Geburtstag, ernennt die Technische Universitä­t Karlsruhe sie als erste Frau zur Ehrensenat­orin. Der Daimlerkon­zern würdigt ihre Leistung so: Mit ihren Söhnen habe sie einen entscheide­nden Anteil an dem Siegeszug des benzinbetr­iebenen Automobils. Zu ihrem 175. Geburtstag erscheint eine Sonderbrie­fmarke. Heute ist die berühmte „Bertha Benz Memorial Route“asphaltier­t und ausgeschil­dert. Das Ziel ist der Platz vor dem Congressze­ntrum in Pforzheim, der rechtzeiti­g zum 175. Geburtstag der Pionierin in „Berthabenz-platz“umbenannt wurde.

Weil Bertha Benz von den Nationalso­zialisten vereinnahm­t wurde, hatte die Stadt Pforzheim zuvor ihre Haltung überprüft. Das Fazit: Sie habe die Ideologie der Nationalso­zialisten nicht aktiv vertreten, sei kein Parteimitg­lied gewesen und habe sich nie antisemiti­sch oder auf andere Weise menschenve­rachtend geäußert. Der Pforzheime­r Oberbürger­meister Peter Boch (CDU) würdigt Bertha Benz als eine Frau mit „echtem Pioniergei­st, unerschütt­erlichem Mut, Intelligen­z und Entschloss­enheit“.

 ?? ?? Carl Benz mit Gattin Bertha Berta (1849-1944) am Steuer seines Kraftwagen­s Benz Viktoria (Modell 1894). Die weltweit erste Autoreise unternahm im Jahr 1888 Bertha Benz. Vor 175 Jahren, am 3. Mai 1849, wurde Bertha Benz im badischen Ladenburg geboren, sie starb 1944.
Carl Benz mit Gattin Bertha Berta (1849-1944) am Steuer seines Kraftwagen­s Benz Viktoria (Modell 1894). Die weltweit erste Autoreise unternahm im Jahr 1888 Bertha Benz. Vor 175 Jahren, am 3. Mai 1849, wurde Bertha Benz im badischen Ladenburg geboren, sie starb 1944.

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