Bitte runterkommen!
Können jetzt bitte alle mal wieder ein bisschen runterkommen? Die Studenten, für die Protest nur dann funktioniert, wenn auch garantiert niemand mehr seine regulären Kurse besuchen kann. Die Uni-leitungen, die kurzentschlossen die Polizei auf ihr eigenes Gelände rufen. Und die Bundesbildungsministerin, die sich gleich „fassungslos“und „erschüttert“zeigt, wenn Hochschullehrer in einem offenen Brief zum Dialog aufrufen.
Im Umgang mit der Kritik am Krieg im Gaza-streifen gilt offenbar eine Grundregel: Jede Seite unterstellt der anderen nur noch das Übelste. Und weil dieses Übelste – „Antisemitismus“, „Unterdrückung“, „Judenhass“, „Kolonialismus“– an den Grundfesten unserer Werteordnung rüttelt, ist der Dialog fast unmöglich geworden. Es ist daher verdienstvoll, wenn die inzwischen einige hundert Unterzeichner
des Dozenten-schreibens an nun genau das erinnern: den Wert von Auseinandersetzung und Debatte. Übrigens werden in dem Brief ausdrücklich Fragezeichen an „konkrete Forderungen des Protestcamps“und dort „geäußerte Meinungen“gemacht. Ausgerechnet die liberale Ministerin Bettina Stark-watzinger allerdings will solche Differenzierung ebenso entschlossen beiseite räumen wie die Polizei die Demo-zelte.
Die Frage ist, wie klein so der Raum gemacht wird, in dem über das überaus große Nahost-problem verhandelt werden soll. Ist jedes israelkritische Statement, das das Massaker vom Oktober nicht erwähnt, von vornherein empörend? Bedeutet jede Verurteilung der Hamas, dass man das Leid der Zivilisten im Gaza-streifen ignoriert? Das sind schwere Themen, runterzukommen fällt also nicht leicht. Einen Versuch ist es wert.