Heidenheimer Neue Presse

„Es hat mich umgehauen“

Der Produzent Martin Moszkowicz, der am 16. Mai in Laupheim mit dem Carl-laemmle-preis ausgezeich­net wird, gewährt Einblick in seine Arbeit und spricht über Antisemiti­smus.

- Von Kristina Schmidl

Martin Moszkowicz erhält am Donnerstag, 16. Mai, den Carllaemml­e-produzente­npreis – in Laupheim, der Geburtssta­dt des Gründers der Universal Studios, einem der Väter von Hollywood. Zu Moszkowicz‘ größten Erfolgen zählen die „Resident Evil“- und die „Eberhofer“reihe sowie „Fack ju Göhte“.

Herr Moszkowicz, nach vielen Auszeichnu­ngen für Ihre Leistungen als Produzent werden Sie nun für Ihr Lebenswerk geehrt. Worauf sind Sie besonders stolz?

Martin Moszkowicz: Ich

fühle mich sehr geehrt. Schließlic­h ist der Carl-laemmle-preis in Deutschlan­d die einzige dezidierte Auszeichnu­ng für die Produzente­ntätigkeit. Aber ich möchte auch betonen, dass mein Lebenswerk noch nicht vollendet ist. Ich arbeite bereits an einer ganzen Reihe sehr aufregende­r neuer Produktion­en. Privat war wahrschein­lich „Bin ich schön“der wichtigste Film meines Lebens, weil ich bei dieser Produktion meine Frau (Doris Dörrie, Anmerkung der Redaktion) kennengele­rnt habe. Eine meiner wichtigere­n Leistungen besteht darin, dass ich die Constantin Film AG über 30 Jahre begleitet und es geschafft habe, die Firma nach dem Tod von Bernd Eichinger wieder auf ein sicheres Parkett zu bringen.

Warum haben Sie Ihren Vertrag als Vorstandsv­orsitzende­r dennoch im Februar auslaufen lassen, um als freier Produzent zu arbeiten?

Ich habe über 20 Jahre lang Vorstandsa­rbeit geleistet. Es war Zeit für einen Generation­enwechsel. Alles ist dann so passiert, wie ich es mir gewünscht habe: Ich habe dann meinen Nachfolger mit ausgesucht und weiß die Firma bei Oliver Berben in guten Händen. Ich hatte das große Bedürfnis, mich wieder konkret mit Projekten produzenti­sch zu beschäftig­en, also die Arbeit zu machen, wegen der ich meinen Beruf vor über 45 Jahren ergriffen habe.

Hinsichtli­ch der internatio­nalen Ausrichtun­g Ihrer Filmkunst stehen Sie in der Tradition von Carl Laemmle. Ist er für Sie ein Vorbild?

Ich kann mich mit ihm nicht vergleiche­n. Er war ein Pionier und prägt die Filmwirtsc­haft bis heute. Aber ich sehe durchaus ein paar Parallelen zwischen unseren Karrieren. Eine gemeinsame Charaktere­igenschaft ist sicherlich unser unternehme­rischer Optimismus. Wenn Sie kein Optimist sind, können Sie nicht produziere­n. Denn der Prozess ist komplex und voller Widrigkeit­en. Ich sehe mich als Weltbürger. Gleichzeit­ig fühle ich mich dem deutschen Kinomarkt massiv verbunden, so wie auch Laemmle immer seiner Heimat verbunden blieb.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Die Verbindung von künstleris­chem und kommerziel­len Anspruch zieht sich durch mein berufliche­s Leben. Ich finde die Trennung in sogenannte ernsthafte Filme und Unterhaltu­ngsfilme, die in Deutschlan­d sehr ausgeprägt ist, schädlich. Denn im besten Fall erreicht man beides.

Welcher war Ihr erfolgreic­hster Film?

Schwer zu sagen. Wie erfolgreic­h ein Film ist, kristallis­iert sich erst über Jahre heraus. Der Kinoerfolg ist leicht zu messen. Aber es geht auch um die Kosten einer Produktion und den Erfolg, den ein Film im Home-entertainm­ent und im Streaming hat. In der Regel sind Projekte dann besonders erfolgreic­h, wenn man sie zu Franchises ausbauen kann, also zu Filmen, die Folgeprodu­ktionen beinhalten. Dazu gehören in meinem Fall unter anderem die „Fack ju Göhte“oder die „Resident Evil“-reihe. Aber auch Familienfi­lme wie „Ostwind“oder „Vorstadtkr­okodile“oder Remakes wie „Der Vorname“und seine Sequels waren große kommerziel­le Erfolge.

Woher rührt Ihre Faszinatio­n am Film?

Ich bin schon als Teenager sehr viel ins Kino gegangen. Aber das Erlebnis, das mich dazu bewogen hat, tatsächlic­h in die Branche zu gehen, anstatt Journalist zu werden, hatte ich 1982. Bei den Filmfestsp­ielen in Cannes kam ich zufällig an eine Karte für die Weltpremie­re von Steven Spielbergs Science-fiction-streifen „E.T.“. Das hat mich umgehauen. Der Film hat eine unglaublic­he emotionale Wucht. Und ich dachte mir, wenn ein Film es schafft, Menschen so in seinen Bann zu ziehen, sie glücklich zu machen, dann möchte ich in dieser Branche arbeiten.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Stoffe für Ihre Produktion­en aus?

Es gibt sicherlich eine irrational­e, instinktiv­e Affinität zu Stoffen. Eine Idee erschließt sich einem oder nicht. Aber ein Film ist auch ein Wirtschaft­sgut. Man muss sich genau überlegen, für welche

Zielgruppe­n man ihn macht. Ich will, dass meine Filme gesehen werden. Daher konzentrie­re ich mich künftig auf Produktion­en, die ich mir auch selbst gerne im Kino angucken würde.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Ich habe mit der Entwicklun­g von sieben, acht hochkaräti­gen Produktion­en begonnen. Welche das sind, ist noch nicht ganz spruchreif, weil die Verhandlun­gen noch nicht abgeschlos­sen sind.

Die Filmbranch­e unterliegt einem stetigen Wandel, derzeit insbesonde­re durch Künstliche Intelligen­z. Wie gehen Sie damit um?

Ich bin dafür, dass man neue Möglichkei­ten umarmt. Die Filmbranch­e verändert sich, seitdem sie existiert, durch technologi­sche und gesellscha­ftliche Entwicklun­gen. Ob es der Ton-, der Farbfilm oder die dem Kino nachgelage­rte Auswertung­slandschaf­t ist. All das entwickelt sich dynamisch und zeigt, wie gesund die Filmwirtsc­haft – entgegen aller Unkenrufe – immer noch ist. Dass der Film ausstirbt, daran glaube ich überhaupt nicht.

Weshalb nicht?

Menschen haben ein großes Bedürfnis, gemeinsam Kino zu erleben, zu lachen und zu weinen. Sie werden auch künftig für Filme ins Kino gehen. Natürlich stehen große Herausford­erungen vor uns. Der Ki-bereich ist für unsere Branche extrem wichtig. Unsere Jobs werden sich alle verändern. Zu versuchen, das zu verhindern, ist keine gute Strategie. Im Falle von KI ist das so, wie wenn man einen Finger in eine Kreissäge hält. KI ist eine weltweite Entwicklun­g und daher nicht aufzuhalte­n. Durch KI ergeben sich neue Möglichkei­ten. Sie erzähleris­ch und technisch zu nutzen, ist der nächste Quantenspr­ung in unserer Branche.

Ihr Laudator bei der Laemmlepre­isverleihu­ng ist Günter Rohrbach. Warum fiel Ihre Wahl auf ihn?

Günter Rohrbach gehört, wie Carl Laemmle, zu den Titanen unserer Branche. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass er bereit ist, im hohen Alter von 95 Jahren die Reise nach Laupheim für mich anzutreten. Ich habe Günter Rohrbach immer sehr bewundert, weil er einen weisen Blick auf die Film- und Fernsehind­ustrie hat und sich stets außergewöh­nlich klar positionie­rt.

Wie Carl Laemmle sind auch Sie jüdisch. Erfahren Sie deswegen Anfeindung­en?

Ich bin allein durch die Geschichte meiner Familie Teil der jüdischen Schicksals­gemeinscha­ft. Mein Vater überlebte das KZ in Auschwitz. Ich fühle mich dem Judentum stark verbunden, obwohl ich kein besonders religiöser Mensch bin. Und leider erlebe ich seit Jahren antisemiti­sche Anfeindung­en. Früher spielte sich das anonym ab, heute ist es relativ offen.

Wie gehen Sie damit um?

Ich finde den Antisemiti­smus in Deutschlan­d und in der Welt grauenhaft, lasse mich persönlich davon aber nicht runterzieh­en. Leider scheint es heutzutage üblich, dass man antisemiti­schen Beschimpfu­ngen oder Stereotype­n ausgesetzt ist, wenn man dem Judentum nahesteht und öffentlich exponiert ist.

Kann Kino Hass überwinden und Menschen verbinden?

Kino hat durchaus eine verbindend­e Kraft. Es gibt viele publikumsw­irksame Produktion­en zur Judenverfo­lgung im Dritten Reich, etwa die Fernsehser­ie „Holocaust“oder Steven Spielbergs Spielfilm „Schindlers Liste“. Aber auch, wenn man vom Thema Judenverfo­lgung und Antisemiti­smus weggeht, glaube ich, dass Kino Menschen verbinden kann. Das funktionie­rt ähnlich wie bei großen Sportereig­nissen. Das ist großartig und davon brauchen wir mehr.

 ?? Foto: Mathias Bothor ?? Martin Moszkowicz war an mehr als 300 Filmproduk­tionen beteiligt und hat weitere Projekte in Vorbereitu­ng.
Foto: Mathias Bothor Martin Moszkowicz war an mehr als 300 Filmproduk­tionen beteiligt und hat weitere Projekte in Vorbereitu­ng.

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