Heidenheimer Neue Presse

Weltklasse von und für Ritter

Ein kurzweilig­er Festabend und ein Weltklasse-orchester sorgten im Heidenheim­er Konzerthau­s für glänzende Geburtstag­sstimmung – und dies nicht nur unter den Schlaraffe­n.

- Von Marita Kasischke

Washington, New York und Boston können sich freuen: Sie bekommen ein exquisites Orchester zu hören. Das Publikum, das am Sonntag bei der Matinee im Konzerthau­s zugegen war, wird das bestätigen: Weltklasse war das, was das Allschlara­ffische Orchester geboten hat. Die rund 70 Musikerinn­en und Musiker des Orchesters unter der Leitung von Venelin Filipov und Bernd Fugelsang hatten eigens für Heidenheim ein Programm zusammenge­stellt, das es wahrlich in sich hatte. Beethovens Ouvertüre zu „Egmont“mit ihren berührend zarten und leidenscha­ftlichen Passagen gehörte ebenso dazu wie die immer Sehnsucht entfachend­e „Unvollende­te“von Schubert, die Gänsehaut verursache­n konnte, so ergreifend war die gekonnte Interpreta­tion. Vor der Pause ging es noch in die „Halle des Bergkönigs“aus Griegs „Peer Gynt“, die in ihrem ansteigend­en Tempo eine sehr spannungsg­eladene Begegnung mit den dortigen Trollen garantiert­e.

Nach der Pause wurde lockere Leichtigke­it versprüht: Strauß‘ „Kaiserwalz­er“und Offenbachs Ouvertüre zu „Orpheus in der Unterwelt“mit dem wohl nie alt werdenden Can-can waren dazu bestens geeignete Stücke. Und das „ASO“, wie es sich kurz nennt, gab sie mit einer hinreißend­en Spritzigke­it, die wohl das gesamte Publikum in Mitklatsch­laune versetzte.

Thron und Zeremonien­meister

Dass ein solches Orchester überhaupt nach Heidenheim gekommen ist, das ist einem besonderen Geburtstag­skind zu verdanken: Der Kulturvere­in „Schlaraffi­a am Hellenstei­n“begeht in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag, und er hat sich bereits vor Jahren gesichert, dass sein besonderes Geburtstag­sständchen vom „ASO“kommen kann. Und das war auch beim großen Festabend am Samstag im Konzerthau­s zugegen, so dass die „Fest-sippung“– so nennen

die Schlaraffe­n ihre Sitzungen – einen ganz besonderen Rahmen bekam. Das freilich auch durch den Umstand, dass reichlich Schlaraffe­n aus dem ganzen Bundesgebi­et angereist waren, um mit ihren Heidenheim­er Kollegen zu feiern. Und so ein Festabend bei Schlaraffe­n folgt nach den Regularien einer gewöhnlich­en „Sippung“: Also Rittermant­el angezogen, Kappe aufgesetzt, Fanfaren ertönen, der Thron durch die Oberschlar­affen bestiegen, der Zeremonien­meister zur Stelle, der Einritt – nicht wörtlich zu nehmen – vollzogen, das Protokoll der vergangene­n Sitzung verlesen und schon geht es an die „Fechsungen“.

„Fechsung“nennen die Schlaraffe­n die Vorträge, die auch ihre Vereinsabe­nde, eben die genannten „Sippungen“beinhalten. Für das Geburtstag­sfest haben die vortragend­en Ritter die Grundlagen des Vereins, nämlich Kunst, Humor und Toleranz, besonders kurzweilig gestaltet: Ob das nun Reim oder Limerick, historisch­e Exkursione­n, Betrachtun­gen über den Allerwerte­sten, die Typisierun­g

des Schwaben oder auch Ratschläge zur Erhaltung der Gesundheit waren – stets wurden sie pointiert formuliert und mit einem Augenzwink­ern vorgetrage­n, so dass Lacher im Publikum keine Seltenheit waren. Besonders hervorgeho­ben werden soll dabei das Protokoll von Sprengelfü­rst Ritter Jambus von der Schlaraffi­a Staufen, der in einem Protokoll den gesamten Abend detaillier­t, pointiert und auch noch gereimt zusammenge­fasst hatte. Das gab wie so häufig an diesem Abend ein donnerndes „Lulu“– so lautet der anerkennen­de und Respekt bezeugende Ruf der Schlaraffe­n, übrigens eine Abkürzung von „Lustig, lustig“.

Burgfrauen und „lustige Witwe“

Im Publikum saßen auch die Burgfrauen, Wonnen und Maiden, die – entgegen zur sonstigen Übung bei den Sippungen – ebenfalls den Festabend genießen dürfen. Das gilt übrigens auch für diejenigen, deren Ritter bereits verstorben sind, auch sie gehören weiterhin zur Schlaraffe­nfamilie, die sich das besondere Ereignis

wie dieses halbe Jahrhunder­t Schlaraffe­n in Heidenheim nicht entgehen ließen. Zumal ja mit dem „ASO“auch ein selten zu hörender Genuss anstand. Das Orchester brachte zur Festsitzun­g den Paukenschl­ag: Den von Haydn nämlich in dessen gleichnami­ger Sinfonie, die zum Schwelgen einlud, was sodann mit einem Medley aus der Operette „Die lustige Witwe“gleich fortgesetz­t werden konnte. Komponist Franz Lehár gehörte ja ebenfalls dem Bund der Schlaraffe­n an.

Zugabe an Matinee und am Festabend war der „Radetzkyma­rsch“, passend, nachdem der Verein „Schlaraffi­a am Hellenstei­n“ja auch in ein neues Jahr startet und das 50. Jahr so stimmungsv­oll begangen hat. So wird man wohl auf dessen 75. Geburtstag warten müssten, um das exquisite Allschlara­ffische Orchester – übrigens nicht nur aus Schlaraffe­n und Männern, dafür aber wohl auch aus Berufsmusi­kerinnen und -musikern bestehend – wieder in Heidenheim erleben zu können. Oder jemand engagiert sie wieder für Heidenheim – die

Verbindung wäre mit den Heidenheim­ern Judith und Michael Dinkelmaie­r an Cello und Fagott auch gegeben. Ein Engagement würde aber vielleicht auch auf den gleichen Zeitraum hinauslauf­en: Erstmal geht es nach Washington, New York und Boston und überhaupt sind sie überall in der Welt unterwegs. Zum Glück auch mal in Heidenheim.

 ?? Foto: Rudi Weber ?? Eine Besonderhe­it: ein Auftritt des Allschlara­ffischen Orchesters im Konzerthau­s mit dem eigens für Heidenheim zusammenge­stellt Programm.
Foto: Rudi Weber Eine Besonderhe­it: ein Auftritt des Allschlara­ffischen Orchesters im Konzerthau­s mit dem eigens für Heidenheim zusammenge­stellt Programm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany