Ins Märchenland entführt
Mit Märchen, Sagen und Legenden entzückte das Ensemble des „Liederfrühlings“an drei Abenden in der Heidenheimer Stadtbibliothek.
Es war einmal!“lautete der Titel des diesjährigen Liederfrühlings, der den Besuchern an drei Konzertabenden von Freitagabend an ganz unterschiedliche Begegnungen bescherte. Ausgewählt hatte diese Teresa Maria Romes, die Vorsitzende des Vereins „Liederfrühling“und Protagonistin an allen drei Abenden, und sie hat unter all den Sagen- und Legendengestalten, Märchen- und Zauberwesen ein paar schillernde Gestalten, Vertonungen voller Vielfalt zutage gefördert. Und ein starkes Ensemble hat sie auch wieder zusammengestellt.
Am Freitagabend in der Stadtbibliothek gaben sich so beispielsweise die Loreley und der Erlkönig, Mörikes „Feuerreiter“und Goethes „Fischer“und einige Hexen in der Walpurgisnacht ein Stelldichein. Den Reigen düsterer Momente machten die Geschichten um unglückliche Lieben und Hexen im Wald komplett. Doch zu all der Mystik gab es auch Beispiele von Liebe ohne Misstöne und ohne drohendes Unheil, und auch eine Schar Feen und Elfen ließen sich nieder. Der Abend war also so recht geeignet, sich komplett ins Reich der Phantasie zu begeben, zumal dort eine ganze Menge Komponisten mit ihren Werken aufwarteten: Gustav Mahler, das Ehepaar Schumann, Mendelssohn, Dvorák, Saint-saëns, Fauré, Brahms, Schubert, um nur die bekanntesten zu nennen – man mag sich vorstellen, wie viel Literatur Teresa Maria Romes und ihr Team gewälzt haben müssen, um all die Preziosen aufzustöbern. Gut, dass sie die Mühe nicht gescheut haben, denn so begegnete das Publikum ganz unterschiedlichen Herangehensweisen und Liedgestaltungen, zu denen Birgit Sehon in ihren Moderationen mit feinem Humor gewürzte Informationen lieferte.
Nachtigall in der Walpurgisnacht
Es war aber auch ein wunderbares Ensemble, das die ganzen Gestalten und Geschichten zum Leben erweckte. Deborah Fogal erweckte eine liebliche Nachtigall zum Leben, und sie steuerte jede Menge Ausdruck zu ihrem ohnehin von feinem Schmelz geprägten Sopran bei, Christian Wester graste an Neckar und Rhein und tat dies mit souveränem Bariton und Teresa Maria Romes‘ kräftiger Sopran ist ja bereits bestens bekannt. An diesem konnte man sich auch an diesem Abend bestens weiden. Begleitet wurden sie am Klavier von Marie-thérèse
Zahnlecker, Rebecca Ineichen und Jonas Gleim – allesamt kongeniale Begleiter mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Können. Und wie hervorragend die beiden Sopranstimmen harmonieren, das ließ sich an der „Walpurgisnacht“von Brahms feststellen: Glänzende Strahlkraft steckt in beiden Stimmen, und die Süße Fogals und die Energie Romes‘ ergänzten sich bestens.
Dieses Zusammenspiel war abermals am Sonntagabend zu erleben: Dann standen Märchen auf dem Programm in der Stadtbibliothek, und Fogal und Romes verzauberten das Publikum mit vier Liedern aus dem „Hänsel und Gretel Liederspiel“von Humperdinck. Das war herrlich kindlich gespielt und gleich wieder keck und fröhlich und eine Freude, die beiden Stimmen miteinander zu hören. Aus dem Märchenreich tauchten auch auf das „hässliche Entlein“in einer Vertonung von Prokofieff, dessen Verwandlung zum schönen Schwan Teresa Romes mit ihrer starken Stimme klangmalerisch nachzeichnete, sowie der „Rattenfänger“, vertont von Hugo Wolf, den Christian Wester mit großem Tempo auf eine wilde Beutejagd schickte.
Deborah Fogal ließ eine Märchenprinzessin tanzen und feiern, und auch an diesem Abend saß die Begleitung der drei Pianisten makellos. Sogar vierhändig: Marie-thérès Zahnlecker und Jonas Gleim entlockten den Tasten gemeinsam Dornröschen, Däumling und die Schöne und das Biest in den Kompositionen „Ma mère l’oye“von Ravel, und das war ein ganz besonderer Genuss. Schon am Freitag hatte man die beiden gemeinsam am Flügel genießen können, da hatten sie mit Dvoráks „Legenden“, denen Kritiker einst bescheinigten, wahre Glücksgefühle auslösen zu können – so Birgit Sehon, die kräftig recherchiert hat –, dem Publikum sehr viel Ahnung davon vermittelt, was die Kritiker gemeint haben könnten.
Hänsel, Gretel und Dornröschen
Mehr Publikum vertragen hätte der Samstagabend – dass sich die sommerlichen Temperaturen, so sehr sie erwünscht sind, auch gerade zum Liederfrühling einstellen wollten. Dabei waren doch gerade die sommerlichen Temperaturen die beste Voraussetzung zum Wandeln zwischen Römerbad und Stadtbibliothek, wo das Ensemble von Telemann bis Purcell
alte Musik, aber auch Volkslieder zu neuem Leben erweckte. Zum Ensemble gehörte auch Paula Goeun Kil an der Bratsche, die unter anderem Schumanns Märchenbilder für Klavier und Viola darbot – und das war virtuos und so samtig weich, dass auch ihr großer Applaus gewiss war.
Mit „Hänsel und Gretel“schließlich klang der Liederfrühling sehr märchenhaft aus, und das gleich mehrfach: Einmal gab es das bekannte Kinderlied, mit Teresa Romes als Gretel und Christian Wester als Hänsel ganz entzückend interpretiert, und zum anderen natürlich aus der Oper von Humperdinck. Mit dem „Abendsegen“daraus wiesen Deborah Fogal und Teresa Romes schon sacht auf den Heimweg, aber davor durfte noch Dornröschen einschlafen und aufwachen, auch dies im bekannten Kinderlied,
das das Sängertrio gewissermaßen in verteilten Rollen sang.
Der Liederfrühling überzeugte wieder einmal durch ein rundes stimmiges Programm, in dem Anspruch und Vielfalt vereint waren und darüber hinaus herrliche Geschichten erzählt wurden. Das Publikum war wieder einmal sehr angetan von dieser Konzertreihe und auch von dem frischen Ensemble und seinem Können, aber auch der Freude an ihrem Tun und der spürbar vorhandenen Freundschaft untereinander. Das trug das ganze Festival, und da wurde auch über kleinere Pannen hinweggesehen. Der Liederfrühling vermittelt so viel Frische und Genuss, das wiegt alles auf. Und wenn es auch für dieses Jahr ganz getreu dem Motto heißt „Es war einmal“, so ist doch seine Wiederkehr sicher. So sicher wie Dornröschen wieder aufwacht.