Heidenheimer Neue Presse

Pandemieve­rtrag vor Abschluss

Das Abkommen soll die internatio­nale Koordinati­on in künftigen Krisenfäll­en verbessern. Doch es gibt auch Kritik.

- Dominik Guggemos

In weniger als zwei Wochen soll auf der Weltgesund­heitsversa­mmlung in Genf ein globaler Pandemieve­rtrag verabschie­det werden. Befürworte­r, von den Ampel-parteien bis zur Union, verspreche­n sich davon bessere internatio­nale Kooperatio­n im Falle einer weiteren Pandemie.

Doch es gibt Widerstand, vor allem von rechts. Die AFD sieht in dem Pandemieve­rtrag die Gefahr, dass die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) „eine Art Gesundheit­spolizei wird –und nationale Souveränit­ät verloren geht“. So formuliert­e es die Björn-höcke-vertraute Christina Baum bei einer Debatte im Bundestag über einen Antrag der AFD, den Vertrag abzulehnen. Die WHO sei zu 80 Prozent aus Spenden finanziert und falle durch eine besondere Nähe zu China auf, fügte ihr Parteifreu­nd Martin Sichert hinzu. „Jede Übertragun­g von Macht auf internatio­nale Institutio­nen ist demokratie­feindlich.“

Könnte die WHO wirklich bestimmen, wie Deutschlan­d auf eine neue Pandemie zu reagieren hat? „Es gibt sogar einen Absatz in Artikel 24 des neuesten Entwurfs, der es dem Who-sekretaria­t untersagt, die nationalen Gesetze oder Politiken einer Vertragspa­rtei anzuweisen, anzuordnen oder anderweiti­g vorzuschre­iben“, sagte Pedro Villarreal vom Max-planck-institut für ausländisc­hes öffentlich­es Recht dieser Zeitung. Dazu gehöre insbesonde­re, den Vertragspa­rteien bestimmte Maßnahmen vorzuschre­iben, wie Reiseverbo­te, die Auferlegun­g von Impfvorsch­riften oder die Durchführu­ng von ‚Lockdowns‘, fügte der Völkerrech­tler hinzu.

Thema für Wichtigtue­r?

„Wer wie die AFD Stimmung gegen die WHO macht, hat nichts verstanden“, sagte der frühere Gesundheit­sminister Hermann Gröhe (CDU) in der Bundestags­debatte. Das Geraune von einer Gesundheit­sdiktatur sei „völliger Unsinn, geradezu gefährlich“. Warum er das so sieht, erläuterte Gröhe anhand von zwei Beispielen: Man befinde sich aktuell auf den letzten Metern, Polio, also Kinderlähm­ung, zu besiegen. Dank der WHO sei zudem bereits 1979 ein endgültige­r Sieg über die Pockenkran­kheit gelungen.

Besonders umstritten im Pandemieve­rtrag, nicht nur bei der AFD, ist der One-health-ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verstärkt zusammen denkt, um Übertragun­gen von Krankheits­erregern besser zu verstehen. Die Landwirtsc­haftsorgan­isation „Freie Bauern“sieht sich an die Rinderkran­kheit BSE im Jahr 2000 und den für viele Tierhalter fatalen politische­n Umgang damit erinnert. „One Health ist bisher eher ein Thema für Wichtigtue­r“, findet Reinhard Jung von den Freien Bauern. Da wird er gerne hören, was die Spd-politikeri­n Franziska Kersten im Bundestag ankündigte: „One Health wird nach aktuellen Verhandlun­gsstand nicht Teil des Pandemieab­kommens.“

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