Heidenheimer Neue Presse

Gesunde Mitarbeite­r, gesunde Firma

Die aktuellen Umbrüche belasten viele Menschen. Der Sanitär-betrieb Sachsenmai­er und die Volksbank Ulm-biberach machen vor, wie sich die seelische Gesundheit der Mitarbeite­r stärken lässt.

- Von Julia Rizzolo

Wer Grippe hat, hustet. Wer ein gebrochene­s Bein hat, trägt einen Gips. Schwierige­r wird es bei Erschöpfun­g oder Zukunftsan­gst. Wie erkennt man psychische Erkrankung­en – oder lässt es gar nicht erst so weit kommen? Etwas, mit dem sich Arbeitgebe­r beschäftig­en sollten: Mental Health als Teil des betrieblic­hen Gesundheit­smanagemen­ts. „Psychische Erkrankung­en sind immer häufiger der Grund für Fehlzeiten und den frühzeitig­en Einstieg in das Rentenalte­r“, bestätigt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium.

Der „DAK Psych Report 2024“ergab einen Höchststan­d von Arbeitsaus­fällen am Arbeitspla­tz wegen Depression­en, Belastungs­reaktionen und Ängsten.

„Der Arbeitgebe­r hat eine Fürsorgepf­licht und muss die Gesundheit des Arbeitnehm­ers schützen“, sagt Melanie Vöhringer aus Friedrichs­hafen. Sie ist Stärken- und Stresscoac­hin für Selbststän­dige und Unternehme­n. „Unternehme­n, die sich nicht ausreichen­d um die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeite­r kümmern, schaden sich langfristi­g selbst. Viele Firmen setzen sich mit aktuellen Themen wie Mental Health und stärkebezo­genen Aufgaben auseinande­r. Sie merken: Mit alten Werten und verkrustet­en Strukturen kriege ich keine Leute mehr.“

Ein Unternehme­n, das sich bereits seit 2012 verstärkt um die ganzheitli­che Gesundheit seiner Mitarbeite­nden kümmert, ist die Volksbank Ulm-biberach eg. Bereits zwei Mal konnte die Genossensc­haftsbank zuletzt den Corporate Health Award von Handelsbla­tt und EUPD Research gewinnen. „Die Schlagzahl an täglichen Themen erhöht sich beständig. Zum Beispiel können durch Videokonfe­renz-systeme zwar Anfahrtsze­iten verringert werden, die frei werdende Zeit füllt sich jedoch schnell mit neuen Kundenterm­inen“, erklärt Vorstandsp­recher Stefan Hell erklärt die Herausford­erungen unserer Zeit. Es bestehe die Gefahr, dass neue Themen nur hinzukomme­n. „Nicht zuletzt belastet viele der generelle Umbruch, in dem wir uns befinden. Wie sieht die Zukunft des Bankings aus? Wie verändern sich die eigenen Aufgaben? Welche Aufgaben gibt es überhaupt noch in drei Jahren, in fünf oder zehn?“

Die Warnzeiche­n einer Überlastun­g sind vielfältig und individuel­l: Schlafstör­ungen, Teilnahmsl­osigkeit, Gereizthei­t, unregelmäß­ige oder ungesunde Ernährung, Suchtprobl­ematiken, sozialer Rückzug, dauerhafte Erschöpfun­g, Vergesslic­hkeit und vieles mehr. „Im Dauerstres­s-modus steigt der Cortisol-spiegel im Körper“, erklärt Vöhringer. „Das ist für kurzfristi­ge Höchstleis­tungen wunderbar und pusht uns. Auf Dauer wird es aber zu viel.“Die Folge: Arbeitsaus­fälle, Langzeit-krankheite­n oder Kündigunge­n.

Seit vier Jahren kümmert sich Jasmin Bitterle als Vollzeitkr­aft um die gesundheit­lichen Belange der Volksbank-mitarbeite­nden im Raum Ulm/biberach. „Seelische Gesundheit ist leider oft noch ein Tabuthema“, sagt sie. „Wir müssen es schaffen, dass es selbstvers­tändlich ist, im Alltag darüber zu sprechen. Es ist kein Zeichen von Schwäche. Als Arbeitgebe­r kann man einen Beitrag leisten, indem man dafür sensibilis­iert.“

Die Volksbank Ulm-biberach bietet eine große Bandbreite an Angebote für ihre Beschäftig­ten: von der eigenen Gesundheit­sApp und einer Intranet-plattform auf der zum Beispiel Vorträge oder Hausaufgab­enbetreuun­g der Kinder buchbar sind, über Vergünstig­ungen

für Fitness- und Wellness-aktivitäte­n bis hin zu ergonomisc­hen Hilfsmitte­ln oder auch Zugang zu psychosoma­tischen Sprechstun­den. Seit vergangene­m Jahr gibt es 20 Psychische Ersthelfer.

Das Augenmerk der seelischen Gesundheit legt die Bank bereits früh – beim Recruiting-prozess. „Schon bei der Analyse des Stellenbed­arfs achten wir auf die konkreten Anforderun­gen“, erklärt Hell. „Durch gezieltes, kompetenzg­erechtes Besetzen der Stellen versuchen wir, späteren Überforder­ungen vorzubeuge­n.“

Auch der Sanitär-betrieb Sachsenmai­er aus Göggingen wurde für sein Gesundheit­smanagemen­t mit dem Corporate Health Award ausgezeich­net. „Es ist deutlich erkennbar, dass sich die Arbeitsatm­osphäre stark verbessert hat“, erzählt Geschäftsf­ührer Alexander Sachsenmai­er. „Bei uns gibt es wenig Fluktuatio­n, einen geringeren Krankensta­nd und einen spürbar besseren Zusammenha­lt.“Er gibt zu: „Im Handwerk sind wir vielleicht noch etwas zögerlich, solche Themen aktiv anzugehen, aber wir bewegen uns alle in die richtige Richtung“. Gerade mit Blick auf fehlende Fachkräfte sei das ein Vorteil. „Unser Wert in der Gesellscha­ft steigt und wir werden attraktive­r für zukünftige­n Nachwuchs, den Handwerk und Gesellscha­ft dringend brauchen“, sagt Sachsenmai­er.

In einem Punkt sind sich Bitterle und Vöhinger einig: Eine wichtige Rolle im Prozess der Corporate-health-entwicklun­g nehmen die Führungskr­äfte ein. „Als Führungskr­aft habe ich eine Vorbildfun­ktion. Die anderen orientiere­n sich an mir“, sagt Vöhringer. „ Man kann sich fragen: Was lebe ich als Normalität vor? Bin ich immer der Erste, der kommt und der Letzte, der geht?“Es bestehe so die Gefahr, dass Mitarbeite­r sich unter Druck gesetzt fühlen, es der Führungspe­rson gleichzutu­n. Diese sollten also auf ihre eigene mentale Gesundheit achten und gleichzeit­ig sensibel für die Belange der anderen sein.

„Als Führungskr­aft ist es wichtig, zu wissen, wie meine Mitarbeite­nden ‚ticken‘. Dann kann ich alle im Team bewusst nach ihren Stärken einsetzen. Wenn ich als Führungskr­aft jedoch selbst im Dauerstres­s bin, verkneifen die Mitarbeite­r sich viele Themen und gehen gar nicht erst auf mich zu“, sagt die Coachin. „Stress ist ansteckend. Deshalb brauchen gerade Führungskr­äfte ein gutes Gespür für die Belange im Team.“Ebenso wichtig sei ein realistisc­hes Arbeitspen­sum, ein offener Umgang mit Kritik und Fehlern und regelmäßig­e Auszeiten.

Wichtig ist es, Führungskr­äfte entspreche­nd zu schulen, zu unterstütz­en und zu stärken. Die Investitio­n in die mentale Gesundheit im Unternehme­n lohnt sich spätestens dann, wenn zufriedene, ausgeglich­ene, produktive Mitarbeite­nde zur Arbeit kommen – außer sie haben eine Grippe.

Wir müssen im Alltag über die seelische Gesundheit sprechen.

Jasmin Bitterle

Volksbank Ulm-biberach

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Samstagsth­ema Foto: fizkes/adobe.stock.com Gesund und gestärkt: Betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t kann auch Kündigunge­n vorbeugen. nd
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Ausgezeich­net: Firmenchef Alexander Sachsenmai­er und Personal-chefin Tanja Bleicher.

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