Einzu großes Risiko?
Manche Staaten verbannen Technik chinesischer Anbieter aus ihrem Netz – wegen Sicherheitsbedenken. Deutschland geht bisher einen anderen Weg.
Absperrungen, Blaulicht, Limousinen: Im kleinen schwedischen Kista am Rande Stockholms sind sechs Regierungschefs auf einmal in der Firmenzentrale von Ericsson vorgefahren. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine fünf nordeuropäischen Kollegen erhofften sich bei dem Termin vor wenigen Tagen Hilfe bei einem der schwierigsten Zukunftsprobleme Europas: der technologischen Unabhängigkeit.
Was ist das Problem? Die globalen Machtverhältnisse verschieben sich, und damit wächst die Angst: Sind unsere technischen Systeme noch sicher vor Attacken von fremden Mächten? Zahlreiche Staaten haben deshalb schon Technik der chinesischen Konzerne Huawei und ZTE aus ihrem Mobilfunknetz verbannt. Schweden gehört zu den Vorsichtigen, genauso wie Dänemark, Tschechien oder Estland.
In Deutschland tobt zwar seit Jahren eine Diskussion darüber, ob Huawei-komponenten aus dem neuen 5G-netz ausgebaut werden sollten. Doch trotz Warnungen schreckt die Bundesregierung vor einem Verbot zurück. 5G – das ist das Netz, mit dem Fabriken vernetzt, autonome Autos miteinander kommunizieren und technische Geräte in Wohnungen gesteuert werden sollen. Bisher mit großen Huawei-anteilen.
Kritiker befürchten, dass Chinas Regierung die Konzerne zum Einbau von Hintertüren zwingen könnte, um im Falle eines Konflikts das deutsche Mobilfunknetz der Anbieter Telekom, Vodafone und Telefónica lahmzulegen oder unbemerkt Wirtschaft, Politik
und Gesellschaft ausspionieren zu können.
Der Cdu-politiker Norbert Röttgen sieht dies schon lange als Risiko. „Ich halte es für grob fahrlässig, dass chinesische Komponenten in unserem 5G-netz zugelassen werden und dann noch dazu in einem solchen Umfang“, sagte er dieser Zeitung. Das 5G-netz sei „das digitale Nervensystem unseres Landes“, das alles mit allem verbinde. „Es sollte daher nur von vertrauenswürdigen Ausrüstern ausgebaut werden.“
Die deutsche Konzerntochter Huawei Technologies Deutschland Gmbh weist die Vorwürfe zurück. Sie sei „ein Unternehmen, das nicht dem chinesischen Recht und dessen Kooperationsgebot unterliegt, sondern mit seinem Hauptsitz in Düsseldorf ausschließlich den deutschen Gesetzen verpflichtet ist“.
die Bundesregierung? Im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages trugen kürzlich das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium deutliche Bedenken gegen Huawei vor, vor allem, was den Einsatz im sogenannten Kernnetz betrifft. 2023 hatte die Bundesregierung eine 64-seitige China-strategie verfasst, in der sie den Kurs gegenüber dem zunehmend autoritär agierenden Reich der Mitte absteckte und konstatierte, „dass Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in unserer Beziehung in den vergangenen Jahren zugenommen haben“. Für das Huawei-problem nennt die Strategie allerdings keine Lösung. In der Bundesregierung sind die Meinungen geteilt. Im Gegensatz zum Innen-, Außenund Wirtschaftsressort gibt es im Digitalministerium von Volker
Was tut
Wissing (FDP) – dessen Partei für einen Huawei-ausschluss ist – warnende Stimmen vor einer kompletten Abkehr von Huawei und ZTE. Die Begründung: Dies würde den Ausbau der Mobilfunknetze enorm verzögern.
Was will der Kanzler? Die Abwägung zwischen den Wirtschaftsinteressen seines Landes und einer womöglich gefährlichen Abhängigkeit treibt auch Scholz um. Mit den Worten, es gebe in Deutschland bereits „eine sehr strenge Gesetzgebung in Bezug auf Sicherheit und Telekommunikation“, vermied er in Schweden eine Festlegung. Einen zeitaufwändigen Ausbau und Ersatz bereits vorhandener chinesischer Komponenten kann er sich offenbar ebenso wenig vorstellen wie Wissing. Europa dürfe beim 5G-netz nicht „hinter andere Kontinente zurückfallen“.
Was könnte die Lösung sein? Scholz setzt offenbar viel Hoffnung auf die schwedische Technik von Ericsson sowie die des finnischen Unternehmens Nokia. Dafür erhält er Rückendeckung aus der eigenen Partei. „Deutschland muss auch im Cyber- und Kommunikationsraum die ausgerufene Zeitenwende erfahren“, sagt Spd-innenpolitiker Sebastian Hartmann. CDU-MANN Röttgen geht noch weiter: Chinesische Komponenten müssten schnell reduziert und in Zukunft keine mehr verbaut werden. Beim künftigen 6G-netz müsse das von Anfang an gelten.
Bei Ericsson geben sie sich selbstbewusst: Man habe das 5G-netz im bevölkerungsreichsten Land Indien mit aufgebaut. „Wir können jeden damit ausstatten, der das will.“