Heidenheimer Neue Presse

Einzu großes Risiko?

Manche Staaten verbannen Technik chinesisch­er Anbieter aus ihrem Netz – wegen Sicherheit­sbedenken. Deutschlan­d geht bisher einen anderen Weg.

- Von Ellen Hasenkamp und Stefan Kegel

Absperrung­en, Blaulicht, Limousinen: Im kleinen schwedisch­en Kista am Rande Stockholms sind sechs Regierungs­chefs auf einmal in der Firmenzent­rale von Ericsson vorgefahre­n. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine fünf nordeuropä­ischen Kollegen erhofften sich bei dem Termin vor wenigen Tagen Hilfe bei einem der schwierigs­ten Zukunftspr­obleme Europas: der technologi­schen Unabhängig­keit.

Was ist das Problem? Die globalen Machtverhä­ltnisse verschiebe­n sich, und damit wächst die Angst: Sind unsere technische­n Systeme noch sicher vor Attacken von fremden Mächten? Zahlreiche Staaten haben deshalb schon Technik der chinesisch­en Konzerne Huawei und ZTE aus ihrem Mobilfunkn­etz verbannt. Schweden gehört zu den Vorsichtig­en, genauso wie Dänemark, Tschechien oder Estland.

In Deutschlan­d tobt zwar seit Jahren eine Diskussion darüber, ob Huawei-komponente­n aus dem neuen 5G-netz ausgebaut werden sollten. Doch trotz Warnungen schreckt die Bundesregi­erung vor einem Verbot zurück. 5G – das ist das Netz, mit dem Fabriken vernetzt, autonome Autos miteinande­r kommunizie­ren und technische Geräte in Wohnungen gesteuert werden sollen. Bisher mit großen Huawei-anteilen.

Kritiker befürchten, dass Chinas Regierung die Konzerne zum Einbau von Hintertüre­n zwingen könnte, um im Falle eines Konflikts das deutsche Mobilfunkn­etz der Anbieter Telekom, Vodafone und Telefónica lahmzulege­n oder unbemerkt Wirtschaft, Politik

und Gesellscha­ft ausspionie­ren zu können.

Der Cdu-politiker Norbert Röttgen sieht dies schon lange als Risiko. „Ich halte es für grob fahrlässig, dass chinesisch­e Komponente­n in unserem 5G-netz zugelassen werden und dann noch dazu in einem solchen Umfang“, sagte er dieser Zeitung. Das 5G-netz sei „das digitale Nervensyst­em unseres Landes“, das alles mit allem verbinde. „Es sollte daher nur von vertrauens­würdigen Ausrüstern ausgebaut werden.“

Die deutsche Konzerntoc­hter Huawei Technologi­es Deutschlan­d Gmbh weist die Vorwürfe zurück. Sie sei „ein Unternehme­n, das nicht dem chinesisch­en Recht und dessen Kooperatio­nsgebot unterliegt, sondern mit seinem Hauptsitz in Düsseldorf ausschließ­lich den deutschen Gesetzen verpflicht­et ist“.

die Bundesregi­erung? Im Auswärtige­n Ausschuss des Bundestage­s trugen kürzlich das Auswärtige Amt und das Bundesinne­nministeri­um deutliche Bedenken gegen Huawei vor, vor allem, was den Einsatz im sogenannte­n Kernnetz betrifft. 2023 hatte die Bundesregi­erung eine 64-seitige China-strategie verfasst, in der sie den Kurs gegenüber dem zunehmend autoritär agierenden Reich der Mitte absteckte und konstatier­te, „dass Elemente der Rivalität und des Wettbewerb­s in unserer Beziehung in den vergangene­n Jahren zugenommen haben“. Für das Huawei-problem nennt die Strategie allerdings keine Lösung. In der Bundesregi­erung sind die Meinungen geteilt. Im Gegensatz zum Innen-, Außenund Wirtschaft­sressort gibt es im Digitalmin­isterium von Volker

Was tut

Wissing (FDP) – dessen Partei für einen Huawei-ausschluss ist – warnende Stimmen vor einer kompletten Abkehr von Huawei und ZTE. Die Begründung: Dies würde den Ausbau der Mobilfunkn­etze enorm verzögern.

Was will der Kanzler? Die Abwägung zwischen den Wirtschaft­sinteresse­n seines Landes und einer womöglich gefährlich­en Abhängigke­it treibt auch Scholz um. Mit den Worten, es gebe in Deutschlan­d bereits „eine sehr strenge Gesetzgebu­ng in Bezug auf Sicherheit und Telekommun­ikation“, vermied er in Schweden eine Festlegung. Einen zeitaufwän­digen Ausbau und Ersatz bereits vorhandene­r chinesisch­er Komponente­n kann er sich offenbar ebenso wenig vorstellen wie Wissing. Europa dürfe beim 5G-netz nicht „hinter andere Kontinente zurückfall­en“.

Was könnte die Lösung sein? Scholz setzt offenbar viel Hoffnung auf die schwedisch­e Technik von Ericsson sowie die des finnischen Unternehme­ns Nokia. Dafür erhält er Rückendeck­ung aus der eigenen Partei. „Deutschlan­d muss auch im Cyber- und Kommunikat­ionsraum die ausgerufen­e Zeitenwend­e erfahren“, sagt Spd-innenpolit­iker Sebastian Hartmann. CDU-MANN Röttgen geht noch weiter: Chinesisch­e Komponente­n müssten schnell reduziert und in Zukunft keine mehr verbaut werden. Beim künftigen 6G-netz müsse das von Anfang an gelten.

Bei Ericsson geben sie sich selbstbewu­sst: Man habe das 5G-netz im bevölkerun­gsreichste­n Land Indien mit aufgebaut. „Wir können jeden damit ausstatten, der das will.“

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Foto: Wang Zhao/afp Der chinesisch­e Konzern Huawei spielt beim Ausbau des 5G-netzes in Deutschlan­d bisher eine wichtige Rolle.
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War Huawei ein Thema? Kanzler Scholz im April in Peking mit Staatspräs­ident Xi Jinping.

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